
Periorale Dermatitis
Zusammenfassung
- Definition: Symmetrischer, erythematöser, papulöser, seltener pustulöser oder leicht schuppender perioraler Hautausschlag.
- Häufigkeit: Die Inzidenz liegt bei 0,5–1 %, und über 90 % der Erkrankten sind Frauen.
- Symptome: Die Symptome sind lokale, periorale Hautreizungen.
- Befunde: Periorale erythematöse Papeln und Pusteln mit einer symptomfreien Zone um die Lippen herum.
- Diagnostik: Klinisch.
- Therapie: Nulltherapie (keine Cremes, Makeup etc.), topische oder systemische Therapie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Chronische, mit flächigen Erythemen, roten disseminierten, follikulären Papeln und Pusteln, stellenweise auch mit roten Plaques einhergehende, juckende/brennende oder schmerzende Dermatitis der perioralen Gesichtshaut.1
- Seltener auch im Bereich der Augen2
- Der Ausschlag ähnelt einer Rosazea, jedoch ohne Teleangiektasien.
- Synonyme: Rosazeaartige Dermatitis, Dermatitis periorale, Stewardessen-Krankheit, Mundrose, Light Sensitive Seborrhoide, periorale Rosazea, Steroidrosazea, Dermatitis perioralis, Periorificial Dermatitis1
Häufigkeit
- 90 % der Erkrankten sind junge Frauen im Alter zwischen 16 und 45 Jahren. Es scheint jedoch so, als würde die Inzidenz bei Männern ansteigen – möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit den geänderten Gewohnheiten bei Männern im Gebrauch von Kosmetikartikeln.3
- Periorale Dermatitis kommt auch bei Kindern vor.4
- Die Inzidenz liegt bei 0,5–1 %.
- Die Erkrankung kommt weltweit bei allen ethnischen Gruppen vor.
Ätiologie und Pathogenese
- Die Ätiopathogenese ist noch weitgehend unbekannt, aber sowohl interne als auch externe Faktoren scheinen als Auslöser bei der Erkrankung eine Rolle zu spielen:5
- seborrhoische Konstitution
- gastrointestinale Störungen
- Sonnenlicht
- Ovulationshemmer
- Kandida
- bakterielle Besiedlung
- Übergebrauch von Pflegekosmetika.
- Werden topische Steroide im Gesichtsbereich länger angewendet, kann sich eine periorale Dermatitis bilden.6
- Die Erkrankung ist auf die Haut begrenzt.2
- Die periorale Dermatitis ist nicht ansteckend.
Prädisponierende Faktoren
- Verwendung lokaler Steroide7
- Atopisches Ekzem8
- Kosmetikprodukte
- Orale Kontrazeptiva und Hormonschwankungen9
- Physikalische Faktoren wie UV-Licht, Hitze und Wind2
- Psychische Auslösefaktoren wie Selbstwertproblematik oder Schwierigkeiten im Umsetzen eigener Autonomieansprüche können eine periorale Dermatitis begünstigen.10
ICPC-2
- S99 Hautkrankheit, andere
ICD-10
- L71.0 Periorale Dermatitis
Diagnose
Diagnostische Kriterien
- Die Diagnose erfolgt klinisch.
- Erythematöse Papeln und Pusteln
- Normalerweise keine Narben oder Komedonen
Differenzialdiagnosen
- Akne
- Allergische Kontaktdermatitis
- Nichtallergische Kontaktdermatitis
- Rosazea
- Seborrhoisches Ekzem
- Impetigo contagiosa
Anamnese
- Seit Längerem periorale Rötung
- Juckreiz und Spannungsgefühl
- Langjähriger Gebrauch von Pflegekosmetika
- Anwendung von Kortisonsalbe im Gesicht.
- Anwendung steroidhaltiger Nasen- oder Inhalationsprays2
Klinische Untersuchung
-
Periorale Rötung mit erythematösen Papeln, Vesikeln und PustelnPeriorale Dermatitis
- 1–2 mm große Häufungen mit oder ohne leichte Schuppenbildung
- In einigen Fällen stehen ekzematöse Veränderungen im Vordergrund.
- Fehlen von Komedonen (treten bei Akne auf)
- Meistens bleibt eine unmittelbar an das Lippenrot grenzende Hautzone frei von Symptomen.1
- In seltenen Fällen kann die Haut um die Nase oder im Bereich der Augen betroffen sein.
- In einer Studie wurden bei 70 % der Patienten periorale, bei 43 % perinasale und bei 25 % periorbitale Veränderungen festgestellt.4
Ergänzende Untersuchungen
- Es sind keine Zusatzuntersuchungen nötig, die zur Diagnose beitragen könnten.
Therapie
Therapieziel
- Die Dermatitis beseitigen.
Allgemeines zur Therapie
- Auch wenn die Erkrankung in den meisten Fällen selbstheilend ist, kann die Dauer des Exanthems durch die richtige Behandlung verkürzt werden.
- Die Therapie kann topisch, systemisch oder durch sog. Nulltherapie (keine Cremes, Makeup etc.) erfolgen.
- In den meisten Fällen reicht die Nulltherapie aus, die weitere Abstufung der Therapie sollte nach der Schwere und Dauer der Erkrankung erfolgen: zunächst topisch, bei schwereren Verläufen auch systemische Therapie.
Nulltherapie
- Alle Kosmetika und bisherigen Salben sowie alle Glukokortikoid-Externa absetzen!
- Die Krankheit wird häufig als kosmetisch sehr belastend erlebt, gerade das Absetzen aller Kosmetika fällt oft sehr schwer.
- Das Gesicht ohne Einsatz weiterer Chemikalien reinigen.
- Gesicht nur kurz mit einem sauberen Handtuch abtupfen (nicht reiben!).
- Parfum in Kosmetika, Waschmitteln, Raumsprays meiden.1
- Patienten wird empfohlen, fetthaltige Hautpflegeprodukte zu vermeiden.
Topische Therapie
- Keine Steroid-Externa, ggf. langfristige Gebrauch von Steroid-Externa ausschleichen, sonst droht eine Verschlimmerung im Sinne einer Entzugssymptomatik.
- Erythromycin-Lösungen oder Metronidazol-Gel (0,5–2 %)1,11
- Pimecrolimus-Creme12
- Wahrscheinlich ist Pimecrolimus bei steroidinduzierter perioraler Dermatitis am wirkungsvollsten.13
- Off-Label-Therapie14
- wegen des erhöhten Malignitätsrisikos nur kurze (bis zu 6 Wochen) Anwendung
- In der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern unter 2 Jahren nicht anwenden.
- Sonnenschutzmaßnahmen während der Therapie
- Wahrscheinlich ist Pimecrolimus bei steroidinduzierter perioraler Dermatitis am wirkungsvollsten.13
- Schwarztee-Umschläge (15–20 min) oder Umschläge mit synthetischen Gerbstoffen können das Spannungsgefühl mindern.1
Systemische Therapie
- Doxycyclin 100 mg 2 x tgl. oder Minocyclin 50 mg 2 x tgl. oral bis zum vollständigen Abklingen der klinischen Symptome1
- nicht bei Kindern
- nicht in der Schwangerschaft
- In seltenen Fällen können Isotretinoine zum Einsatz kommen.2
- Bei Komorbiditäten evtl. Psychopharmaka, insbesondere können Benzodiazepine zur Unterbrechung des Circulus vitiosus aus Juckreiz und Depression wirksam sein.10
Weitere Therapien
- Photodynamische Therapie kann in Einzelfällen hilfreich sein.15
- Grundsätzlich sollte im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung bei jeder Hauterkrankung abgeklärt werden, inwieweit ein zusätzlicher psychosomatischer Diagnostik- oder Betreuungsbedarf vorhanden ist.10
- In Einzelfällen können eine Psychotherapie oder Verhaltenstherapie hilfreich sein.10
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Die periorale Dermatitis wird grundsätzlich als eine benigne und selbstlimitierende Erkrankung angesehen.16
- Bei einigen Patienten geht die Erkrankung ohne Behandlung innerhalb einiger Monate zurück.
- Bei anderen kann die Erkrankung unbehandelt über mehrere Jahre anhalten.
- Lokale Kortikosteroide tragen zur Chronifizierung bei.17
Komplikationen
- Es gibt eine seltene lupoide Form, die zu Narbenbildung führen kann.
Prognose
- Die Prognose ist gut.
- Die Hautveränderungen gehen in der Regel ohne Narbenbildung zurück.
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Quellen
Leitlinien
- Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Psychosomatische Dermatologie (Psychodermatologie). AWMF-Leitlinie Nr. 013-024. S1, Stand 2018. www.awmf.org
Literatur
- Altmeyer P. Dermatitis periorale. Enzyklopädie Dermatologie. Springer. Zugriff 16.93.2019 www.enzyklopaedie-dermatologie.de
- Kammler HJ. Perioral dermatitis. Medscape, last updated 2018 emedicine.medscape.com
- Lipozencic J, Ljubojevic S. Perioral dermatitis. Clin Dermatol 2011; 29:157. PubMed
- Nguyen V, Eichenfield LF. Periorificial dermatitis in children and adolescents. J Am Acad Dermatol 2006; 55:781. PubMed
- Dirschka T, Tronnier H, Fölster-Holst R. Epithelial barrier function and atopic diathesis in rosacea and perioral dermatitis. Br J Dermatol 2004; 150:1136. PubMed
- Hornung T, Bieber T. Therapie der atopischen Dermatitis: Nach wie vor eine besondere Herausforderung. Supplement: Perspektiven der Dermatologie. Dtsch Arztebl 2018; 115(20-21) www.aerzteblatt.de
- Chen AY, Zirwas MJ. Steroid-induced rosacealike dermatitis: case report and review of the literature. Cutis. 2009 Apr. 83(4):198-204. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Goel NS, Burkhart CN, Morrell DS. Pediatric periorificial dermatitis: Clinical course and treatment outcomes in 222 patients. Pediatr Dermatol 2015; 32: 333 PMID: 25847356 PubMed
- Hall CS, Reichenberg J. Evidence based review of perioral dermatitis therapy. G Ital Dermatol Venereol 2010; 145:433. PubMed
- Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Psychosomatische Dermatologie (Psychodermatologie). AWMF-Leitlinie Nr. 013-024. Stand 2018. www.awmf.org
- Landow K: Relief from perioral dermatitis. Postgrad Med 1998 Sep; 104(3): 34-5. PubMed
- Rodríguez-Martín M, Sáez-Rodríguez M, Carnerero-Rodríguez A, et al. Treatment of perioral dermatitis with topical pimecrolimus. J Am Acad Dermatol 2007; 56:529. PubMed
- Schwarz T, Kreiselmaier I, Bieber T, et al. A randomized, double-blind, vehicle-controlled study of 1% pimecrolimus cream in adult patients with perioral dermatitis. J Am Acad Dermatol. 2008 Jul. 59(1):34-40. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Wirkstoff aktuell. Ausgabe 07/2007 www.akdae.de
- Richey DF, Hopson B. Photodynamic therapy for perioral dermatitis. J Drugs Dermatol 2006; 5: 12-16 www.ncbi.nlm.nih.gov
- Veien NK, Munkvad JM, Nielsen AO, et al. Topical metronidazole in the treatment of perioral dermatitis. J Am Acad Dermatol 1991; 24:258. PubMed
- Tempark T, Shwayder TA. Perioral Dermatitis: A Review of the Condition with Special Attention to Treatment Options. American Journal of Clinical Dermatology. April 2014, Volume 15, Issue 2, pp 101-113. link.springer.com
Autoren
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
- Stefan Bösner, Prof. Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Marburg (Review)
- Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
- Tore Särnhult, överläkare, Hudmottagningen, Kungsbacka (Medibas)
- Sylvi Torvund, spesialist i allmennmedisin, Nidarvold legesenter, Trondheim
- Kristin Ryggen, overlege, Hudavdelingen, Regionsykehuset i Trondheim