
Vesikel und Bullae in der Haut
Allgemeine Informationen
Definition
- Zur Bildung von Bullae und Vesikeln kommt es infolge einer Gewebeschädigung, die zu einer Flüssigkeitsansammlung in oder unter der Epidermis führt.1
- Auflösung des Zellverbunds (Akantholyse)
- Ödeme zwischen den epidermalen Zellen (Spongiose)
- evtl. Dissoziation zwischen Epidermis und Dermis
- Vesikel2
- Dies sind scharf begrenzte, flüssigkeitsgefüllte, epidermale Schwellungen mit einem Durchmesser von weniger als 1 cm.
- Sie enthalten seröses Exsudat oder Serum vermischt mit Blut, oder sie haben seropurulenten (vesikopustulösen) Charakter.
- Sie liegen in diskreter, gruppierter (Herpes-Infektion), unregelmäßig verteilter oder linearer Form vor.
- Sie bestehen nur für kurze Zeit, platzen spontan oder entwickeln sich zu Bullae, indem sie größer werden oder mehrere Vesikel zusammenfließen.
- Bullae
- Dies sind Blasen mit einem Durchmesser von mehr als 1 cm.
- Sie enthalten seröse oder seropurulente Flüssigkeit.
- Sitzen sie in der Epidermis, haben sie dünne, schlaffe Wände, die nach dem Platzen zu Erosionen, Schuppenbildung und Verkrustung führen.
- Ihre Widerstandsfähigkeit hängt davon ab, in welchem Bereich des Körpers sie vorliegen und ob es sich um intradermale (leicht platzende) oder subepidermale (festere) Blasen handelt.
- Für ihre Bildung können mechanische, thermische, infektiöse, chemische und/oder immunologische Ursachen verantwortlich sein.
Diagnostische Überlegungen
- Einzelne Läsionen sind auf lokale Veränderungen zurückzuführen.
- Generalisierte blasenbildende Erkrankungen sind ernst, aber selten; eine Diagnose zu stellen, kann sich als schwierig erweisen.
- Mögliche Ursachen sind Autoimmunerkrankungen, Arzneimittelreaktionen, Infektionen, genetische Störungen und physische Verletzungen.
ICPC-2
- S06 Rötung / Ausschlag, lokalisiert
- S07 Rötung / Ausschlag, generalisiert
ICD-10
- R21 Hautausschlag und sonstige unspezifische Hauteruptionen
Differenzialdiagnosen
Druckverletzungen und Blasen am Fuß
-
Eindeutige Anamnese und typische LokalisationBlase am Fuß
Verbrennungen und Erfrierungen
-
Eindeutige AnamneseErfrierung
Impetigo contagiosa, bullöse
-
Häufig bei KindernImpetigo contagiosa
- Purulente Bullae und Läsionen mit einer honiggelben Kruste
Dyshidrotisches Ekzem, Pompholyx
- Die Ursache ist unbekannt, mögliche Auslöser sind jedoch Hitze oder Erregung.
- Die Beschwerden können über einige Wochen anhalten und rezidivieren.
- Es bilden sich größere Vesikel und Bullae in der Handfläche und an den Fingern, evtl. auch an den Fußsohlen.
- Mitunter kann sich eine sekundäre Infektion entwickeln.
Id-Reaktion, Mykid
- Eine Fernreaktion auf eine Pilzinfektion in einem anderen Bereich des Körpers
Insektenstiche
-
Tritt plötzlich eine juckende Läsion auf, kann es sich um einen Insektenstich handeln.Mückenstich, bullöse Reaktion
- Meist liegen nur wenige, asymmetrisch lokalisierte Läsionen in Bereichen vor, die Insekten ausgesetzt sein können. Ab und zu ist ein mittiger Stichkanal zu sehen.
- Menschen reagieren unterschiedlich auf Insektenstiche. Bei manchen Personen kommt es zu schweren Reaktionen und sogar zur Blasenbildung, bei anderen wiederum zeigt sich bei einem Stich der gleichen Insektenart nur eine leichte oder gar keine Reaktion.
Phototoxische Reaktion
- Bei der Verwendung von Arzneimitteln oder der Exposition gegenüber Toxinen, die UV-Strahlen absorbieren.
- Präsentation in Form eines ausgeprägten Sonnenbrands, bei der Heilung evtl. Hyperpigmentierung der Haut
Photoallergische Reaktion
-
Topische oder systemische Medikamente können mit Sonnenlicht interagieren und immunologische Reaktionen hervorrufen.Sonnenekzem (polymorphe Lichtdermatose)
- Die sonnenexponierte Haut entzündet und rötet sich, es bilden sich Vesikel und Bullae, nach einigen Tagen kommt evtl. ein Ausschlag hinzu.
Porphyria cutanea tarda
-
Als auslösender Faktor kann bei den Patienten eine Lebererkrankung vorliegen.Porphyria cutanea tarda
- Es bilden sich Bullae in sonnenexponierten Hautbereichen, insbesondere auf dem Handrücken.
- Selbst bei kleinen Traumata entstehen Wunden.
Pemphigoid, bullöses
-
Dieses tritt meist bei älteren Patienten auf.Bullöses Pemphigoid
- Das Erscheinungsbild der Erkrankung ist vielfältig: Sie kann in lokalisierter, vesikulärer, erythematöser, erythrodermischer und nodulärer Form auftreten.
- Das bullöse Pemphigoid ist eine relativ benigne Erkrankung, die durch Juckreiz und das Vorliegen praller, subepidermaler Bullae in Bereichen mit erythematöser oder gesund aussehender Haut gekennzeichnet ist.
- Die runden, prallen Bullae, die über die Haut verteilt sind, können eine Größe von mehreren Zentimetern erreichen.
Pemphigus
-
Der Pemphigus tritt in Skandinavien selten auf.Pemphigus vulgaris
- Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, die mit intradermalen Bullae einhergeht und die Haut und die Schleimhäute befällt.3
- Sie wird in der Regel nicht von Juckreiz begleitet.
- Bei der Untersuchung der Biopsie zeigt sich eine Akantholyse. Immunfluoreszenztests bestätigen die Diagnose.
Dermatitis herpetiformis
-
Die Dermatitis herpetiformis ist relativ selten.Dermatitis herpetiformis
- Häufig sind jüngere Patienten betroffen.
- Eine Mehrheit der Patienten weist gleichzeitig eine symptomarme Zöliakie auf.
- Es entwickeln sich stark juckende, papulovesikuläre, mitunter bullöse Hautveränderungen.
- Diese sind vorrangig auf den Streckseiten der Schultern und Knie (symmetrisch), dem Gesäß, am Hals und auf der Kopfhaut lokalisiert.
- Immunfluoreszenztests bestätigen die Diagnose.
Erythema multiforme
-
Erythema multiformeDieses kann auf eine Infektion oder eine allergische Reaktion, häufig auf ein Medikament, zurückzuführen sein, es kann sich aber auch um ein paraneoplastisches Phänomen handeln.Erythema multiforme
- Es tritt hauptsächlich symmetrisch auf Streckseiten oder den Handflächen, Fußsohlen und Schleimhäuten auf.
- Typisch für das Erythema multiforme minor sind kokardenförmige Läsionen mit einer mittigen Aufhellung und konzentrischen erythematösen Ringen.
- Das Erythema multiforme major (Stevens-Johnson-Syndrom) ist durch eine schwere Störung des Allgemeinbefindens, eine Erythrodermie, eine Epidermolyse und eine Beteiligung der Schleimhaut, seltener auch durch kokardenförmige Läsionen gekennzeichnet.
Toxisch epidermale Nekrolyse
- Seltene, akute, lebensbedrohliche Hauterkrankung4
- Großflächige Ablösung der Epidermis und Mukosa, begleitet von Fieber und einer Organbeteiligung unterschiedlichen Schweregrads
Epidermolysis bullosa
- Eine Gruppe von teils schweren Erbkrankheiten, die von Geburt an vorliegen.5
Lokalisation
Generalisiert | Lokalisiert |
Stevens-Johnson-Syndrom/toxisch epidermale Nekrolyse | Druckverletzung |
Staphylococcal Scalded Skin Syndrome | bullöse Erkrankung bei Diabetes |
Varizella | Ödemblasen |
Zoster generalisatus | akutes palmoplantares (dyshidrotisches) Ekzem |
disseminierte Herpes-simplex-Erkrankung | Dermatophytose |
bullöser systemischer Lupus erythematodes | Blasen am Fuß |
Miliaria | Saugblasen (Säuglinge) |
bullöse Impetigo contagiosa | Erythema multiforme |
Pemphigus | lokalisierte Epidermolysis bullosa simplex |
bullöses Pemphigoid | polymorphe Lichtdermatose |
Pemphigoid gestationis | Porphyria cutanea tarda |
Dermatitis herpetiformis | Pseudoporphyrie |
Epidermolysis bullosa | Sonnenbrand und phototoxische Reaktionen |
Herpes simplex |
Beteiligung der Schleimhaut
- Schleimhautpemphigoid
- Pemphigus vulgaris3
- Paraneoplastischer Pemphigus
- Bullöses Pemphigoid
- Erythema multiforme
- Stevens-Johnson-Syndrom und toxisch epidermale Nekrolyse4
- Herpes-simplex-Virusinfektion
Anamnese
Charakteristika
- Lokalisation?
- Generalisiert? Lokalisiert? Spezifische Lokalisationen?
- Ist die Schleimhaut beteiligt?
- Größe und Form der Vesikel und Bullae?
Alter
- Neugeborene
- Infektion? Trauma? Miliaria?
- Kleinkinder
- Bullöse Impetigo contagiosa? Staphylococcal Scalded Skin Syndrome?
- Ältere Erwachsene
- Pemphigus? Pemphigoid?3
Exposition?
- Bei Verdacht auf eine phototoxische oder photoallergische Reaktion ist es wichtig, Informationen über eine etwaige Exposition gegenüber Medikamenten, Toxinen, Pflanzensäften usw. einzuholen.
- Dies gilt auch für das Erythema multiforme.
- Neue Medikamente?
- Arzneimittelexanthem, Pseudoporphyrie, Stevens-Johnson-Syndrom, toxisch epidermale Nekrolyse4, Erythema multiforme, Pemphigus, Pemphigoid
Familiäre Vorbelastung?
- Epidermolysis bullosa5
Juckreiz?
- Dermatitis herpetiformis?
Andere Erkrankung?
- Lebererkrankung: Porphyrie?
- Zöliakie: Dermatitis herpetiformis?
Klinische Untersuchung
- Beurteilen Sie die Lokalisation und das Erscheinungsbild des Ausschlags.
- Achten Sie auf etwaige Zeichen einer Grunderkrankung.
- Liegen Vesikel bzw. Bullae an den Händen vor, untersuchen Sie die Fußsohlen auf eine Pilzinfektion.
- Gruppierte Vesikel
- Diese sind bei Herpes-simplex-Virusinfektionen, dem Herpes zoster und der Dermatitis herpetiformis typisch.
- Kleine Vesikel
- Diese sind bei der Miliaria, akuten palmoplantaren Ekzemen, Herpes-simplex-Virusinfektionen, dem Herpes zoster und der Dermatitis herpetiformis typisch.
- Liegen gleichzeitig Milien und Blasen vor, kann dies auf eine Epidermolysis bullosa oder Porphyria cutanea tarda hindeuten.
- Schuppenbildung
- Verschorfung
- Diese ist insbesondere mit dem Pemphigus assoziiert.
- Qualität der Blasen
- Feste Blasen können auf ein bullöses Pemphigoid, ein Pemphigoid gestationis, eine Epidermolysis bullosa5 oder eine Porphyria cutanea tarda hindeuten.
- Vernarbung
- Diese kann auf eine blasenbildende Autoimmunerkrankung wie das bullöse Pemphigoid oder die Dermatitis herpetiformis hindeuten.
- Nikolski-Phänomen6
- Dabei kommt es infolge eines leichten Drucks gegen die Haut zu einer Blasenbildung.
- Es kann bei verschiedenen Hauterkrankungen wie u. a. dem Pemphigus vorliegen.3
Ergänzende Untersuchungen
In der der Hausarztpraxis
- Porphyria cutanea tarda
- evtl. Screening-Tests auf Porphyrine
- mit Hepatitis C und Lebererkrankungen assoziiert: evtl. Antikörper-Test und Bestimmung der Leberfunktionswerte
- Erythema multiforme
- mit Infektionen assoziiert: evtl. Bestimmung von CRP, Leukozyten und BSG
- Dermatitis herpetiformis
- evtl. Untersuchungen im Hinblick auf eine etwaige Glutenintoleranz
- Kultivierung bei Verdacht auf eine Infektion
- Serologische Tests?
- bei Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung7
Diagnostik beim Spezialisten
- Evtl. beim Dermatologen
- Bei generalisierten blasenbildenden Erkrankungen kann sich die Diagnose aus immunhistologischen Untersuchungen von Hautbiopsien, einer Gewebetypisierung und einer Untersuchung auf zirkulierende Autoantikörper ergeben.7
- Die Hautbiopsie ist zur immunhistologischen Untersuchung einzuschicken.
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- Bei generalisierten blasenbildenden Erkrankungen ist eine rasche Überweisung geboten. Untersuchung und Behandlung sollten durch einen Dermatologen erfolgen.
Checkliste zur Überweisung
Blasen in der Haut
- Zweck der Überweisung
- Diagnostik? Sonstiges?
- Anamnese
- Beginn und Dauer? Progression?
- Auslösende Faktoren? Exposition: Arzneimittel, Toxine, Sonne? Juckreiz?
- Sonstige relevante Krankheiten: etwaige Lebererkrankung, Zöliakie? Familiäre Prädisposition?
- Regelmäßig eingenommene Medikamente?
- Klinische Untersuchung
- Lokalisation? Größe der Läsionen?
- Allgemeinzustand?
- Ergänzende Untersuchungen
Illustrationen










Quellen
Literatur
- Barr KL, Williams HC, Murrell DF, Petronic-Rosic V. Assessment of vesicular-bullous rash. BestPractice, last updated July 19, 2013.
- Berger TG, James WD, Elston DM. Andrew's diseases of the skin, clinical dermatology, 10th edition. WB Saunders; 2008.
- Ioannides D, Lazaridou E, Rigopoulos D. Pemphigus. J Eur Acad Dermatol Venereol 2008; 22:1478. PubMed
- Gerull R, Nelle M, Schaible T. Toxic epidermal necrolysis and Stevens-Johnson syndrome: a review. Crit Care Med 2011; 39:1521. PubMed
- Fine JD, Bruckner-Tuderman L, Eady RA, et al. Inherited epidermolysis bullosa: updated recommendations on diagnosis and classification. J Am Acad Dermatol. 2014;70:1103-1126. PubMed
- Uzun S, Durdu M. The specificity and sensitivity of Nikolskiy sign in the diagnosis of pemphigus. J Am Acad Dermatol 2006; 54:411. PubMed
- Schmidt E, Zillikens D. Modern diagnosis of autoimmune blistering skin diseases. Autoimmun Rev. 2010;10:84-89. PubMed
Autoren
-
Günter Ollenschläger, Prof. Dr. Dr. med., Professor für Innere Medizin, Uniklinikum Köln (Deximed)
- Tore Särnhult, överläkare, Hudmottagningen, Kungsbacka
- Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Trondheim
- Sylvi Torvund, spesialist i allmennmedisin, Nidarvold legesenter, Trondheim
- Kristin Ryggen, overlege, Hudavdelingen, Regionsykehuset i Trondheim