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Hypoparathyreoidismus

Der Hypoparathyreoidismus ist eine seltene Erkrankung. Er tritt angeboren oder erworben nach Bestrahlungen am Hals und Operationen an Schilddrüse/Nebenschilddrüsen auf.

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Was ist ein Hypoparathyreoidismus?

Definition

Der Hypoparathyreoidismus ist eine seltene Erkrankung, die vor allem nach Operationen an der Schilddrüse auftritt, wenn gleichzeitig die Nebenschilddrüsen oder nur diese geschädigt oder entfernt werden. Die 4 Nebenschilddrüsen, auch als Epithelkörperchen oder Parathyreoideae bezeichnet, liegen meist in unmittelbarer Nachbarschaft zu den beiden oberen und unteren Polen der Schilddrüse am Hals. Sie produzieren das sog. Parathormon (PTH). Dieses Hormon ist für die Freisetzung von Kalzium und die Synthese von Vitamin D im Blut verantwortlich. Der Hypoparathyreoidismus ist gekennzeichnet durch einen niedrigen PTH-Spiegel im Blut. Dadurch wird zu wenig Kalzium aus den Knochen freigesetzt, und es kommt folglich zu einem Kalziummangel im Körper (Hypokalzämie). Dies macht sich vor allem über Symptome der auf Kalzium angewiesenen Organe bemerkbar.

Symptome

Leitsymptom der Hypokalzämie ist die neuromuskuläre Übererregbarkeit (Tetanie) mit Muskelzuckungen und -krämpfen sowie Unruhe und Angstsymptomen. Langfristig kann die Hypokalzämie u. a. zu Hautveränderungen, Haarausfall und brüchigen Nägeln führen. Weitere langfristige Symptome sind chronische Erschöpfung (Fatigue), Minderung der Knochenqualität, Nierensteine, grauer Star, Herzklopfen, erhöhtes Infektionsrisiko und insgesamt eine deutliche Minderung der Lebensqualität.

Ursachen

In seltenen Fällen kann es ohne vorhergehende operative Entfernung der Nebenschilddrüsen zu einem Hypoparathyreoidismus kommen. Er kann nach einer Autoimmunreaktion auftreten, bei der das körpereigene Immunsystem die Nebenschilddrüsen angreift und zerstört, oder erblich bedingt beispielsweise beim Di-George-Syndrom.

Meist tritt ein Hypoparathyreoidismus jedoch nach Operationen am Hals auf, bei der die Nebenschilddrüsen geschädigt oder entfernt werden. Dabei kommt es überwiegend zu einer Erholung innerhalb von 6 Monaten. Ein Hypoparathyreoidismus kann zudem als Folge einer Strahlentherapie bei Tumoren der Halsregion, als Folge anderer Krankheiten oder als Folge z. B. eines Magnesiummangels auftreten.

Darüber hinaus können dieselben Symptome wie beim Hypoparathyreoidismus auch ohne Abweichungen des PTH-Spiegels im Blut auftreten. Dies wird als Pseudohypoparathyreoidismus bezeichnet und beruht auf einer verminderten Wirkung von PTH im Körper.

Häufigkeit

Erblich bedingt kommt es sehr selten zu einem Hypoparathyreoidismus. Die Mehrzahl der Fälle tritt nach Operationen an Schilddrüse und Nebenschilddrüsen auf. Insgesamt wird geschätzt, dass 10–40/100.000 Menschen betroffen sind. Etwa 75 % aller Patient*innen sind älter als 45 Jahre. Frauen sind ca. 3x häufiger betroffen als Männer, vermutlich aufgrund der häufigeren Schilddrüsenoperationen bei Frauen.

Untersuchungen

  • Es wird eine genaue körperliche Untersuchung durchgeführt und nach einer etwaigen familiären Häufung gefragt.
  • Ein Verdacht auf Hypoparathyreoidismus besteht, wenn die Blutwerte für Kalzium und PTH erniedrigt sind, vor allem, wenn die betroffene Person zuvor am Hals operiert oder eine Bestrahlung der Halsregion durchgeführt worden ist.
  • Bei entsprechendem Verdacht werden zur Diagnosesicherung zusätzlich die Kalziumwerte im 24-Stunden-Urin ermittelt. Auch andere Blutwerte wie Phosphat, Vitamin D und Magnesium werden gemessen.
  • Spezielle Tests zeigen mögliche neurologische Schädigungen an.
  • Zusätzlich können ein Elektrokardiogramm zum Nachweis von Rhythmusstörungen, eine augenärztliche Untersuchung zum Nachweis eines grauen Stars und ein Ultraschall der Nieren zum Nachweis von Nierensteinen durchgeführt werden.
  • Diagnostik und Therapie werden bei Verdacht auf einen Parathormonmangel in Absprache mit Fachärzt*innen für Endokrinologie durchgeführt.

Behandlung

  • Das Behandlungsziel besteht in der Normalisierung der Kalzium- und Mineralstoffspiegel im Blut.
  • Dazu wird den Patient*innen Kalzium und Vitamin D verabreicht. Asymptomatischen Patient*innen wird je nach Kalziumwerten eine Behandlung angeboten.
  • Die Wahl des geeigneten Mittels hängt davon ab, wie akut der Kalziummangel ist und welche Menge zur Wiederherstellung des Normalwertes benötigt wird. Dabei ist der Kalziumspiegel auf einen Wert im unteren Normbereich oder leicht darunter einzustellen, sodass die Patient*innen symptomfrei sind.
  • Kalziumreiche Kost – insbesondere Milch – ist wegen des hohen Phosphatanteils weniger empfehlenswert.
  • Bei einem Magnesiummangel wird zusätzlich Magnesium verabreicht.
  • Seit 2017 ist ein im Labor hergestelltes Parathormon zugelassen, allerdings nur für Patient*innen, die unter Standardtherapie nicht adäquat eingestellt werden können.

Prognose

  • Bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung ist die Prognose gut.
  • Nierenbeschwerden wie Nierensteine bis hin zum Nierenversagen treten auch unter Therapie häufiger auf als sonst. Muskelbeschwerden, Fatigue (chronische Müdigkeit) sowie Angst- und depressive Störungen treten ebenfalls gehäuft auf.
  • Patient*innen mit chronischem Hypoparathyreoidismus haben eine insgesamt niedrigere Lebensqualität.
  • Unter stabiler Substitutionstherapie sollte alle 3–6 Monate eine Verlaufskontrolle stattfinden. Nach einer Therapieänderung sollte das Monitoring wöchentlich oder alle 2 Wochen erfolgen.

Weitere Informationen

Autor

  • Markus Plank, MSc Bsc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Hypoparathyreoidismus. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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