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Hyperventilation

Hyperventilation ist eine zu schnelle und zu tiefe Atmung, die dazu führt, dass vermehrt Kohlendioxid abgeatmet wird. Dies kann u. a. zu Schwindel und Ohnmacht führen, ist in aller Regel aber harmlos und ungefährlich.

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Was ist Hyperventilation?

Definition

Eine Hyperventilation oder ein Hyperventilationssyndrom bezeichnet eine in Tiefe und/oder Geschwindigkeit verstärkte Atmung, die dazu führt, dass aus den Lungenbläschen vermehrt Kohlendioxid (CO2) abgeatmet wird. Dadurch kommt es im Körper der betroffenen Person zu einer Veränderung des Säure-Basen-Haushalts mit entsprechenden Auswirkungen.

Symptome

Die Symptome einer Hyperventilation kommen u. a. durch den veränderten Säure-Basen-Haushalt zustande, der zu einem Mangel an Kalzium im Blut führt. Kalzium ist v. a. für das geordnete Zusammenspiel von Muskeln wichtig.

Eine Hyperventilation beginnt oft damit, dass die betroffene Person allmählich immer schneller atmet. Dabei wird oft eine Atemnot empfunden, die zu einer immer schnelleren und tieferen Atmung führt. Nach einiger Zeit (oft schon nach einigen Minuten), die – abhängig vom Grad der Hyperventilation – variieren kann, machen sich die körperlichen Symptome des veränderten Säure-Basen-Haushalts im Blut bemerkbar. Dies beginnt häufig mit einem Kribbeln in den Fingern, Ohrläppchen, Wangen oder Lippen. Schließlich tritt ein Taubheitsgefühl im Mund und an der Zunge auf, wodurch das Sprechen schwierig wird. Sehstörungen und ein schneller Puls sind ebenfalls möglich. Oft setzt ein Schwindelgefühl ein, das sich im Laufe des weiteren Anfalls verstärkt, sodass die betroffene Person das Gefühl bekommt, ohnmächtig zu werden. Viele Betroffene fühlen Schmerzen in der Brust und Herzklopfen. Das Kribbeln in den Fingern kann sich schließlich zu Verkrampfungen in den Händen und Fingern entwickeln (sog. Pfötchenstellung). Kribbeln und Krämpfe sind durch den veränderten Kalziumwert im Blut verursacht.

All diese Symptome lösen Angst aus, und viele Betroffene berichten, dass sie das Gefühl haben zu ersticken. Dies verstärkt die Hyperventilation weiter und kann in einigen Fällen bis zu einer Bewusstlosigkeit führen.

Ursachen

Als Ursachen für eine Hyperventilation kommen sowohl körperliche als auch psychische Erkrankungen infrage.

Körperliche Ursachen 

Körperliche Ursachen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Atemantrieb der betroffenen Person gesteigert ist, z. B. durch:

Psychische Ursachen und begünstigende Faktoren für eine Hyperventilation

Die häufigsten psychischen Ursachen für eine Hyperventilation sind Angst- und Panikstörungen. Schmerzen, die zu einer schnelleren, flacheren Atmung führen, können ebenfalls zur Entstehung einer Hyperventilation beitragen.

Häufigkeit

Hyperventilationen kommen bei 5–10 % der Erwachsenen meist im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, gehäuft bei Frauen vor, sie sind meist psychischer Natur.

Untersuchungen

Anamnese – das ärztliche Gespräch

Im Gespräch können Ärzt*innen erfragen, ob es entsprechende Vorerkrankungen oder Umstände gibt (siehe Ursachen), die zur Entstehung der Hyperventilation beigetragen haben.

Betroffene Personen sind in einem akuten Anfall meist ängstlich und klagen beispielsweise über Atemnot, Empfindungsstörungen in Armen oder Beinen (Kribbeln, Ameisenlaufen), Schwindel sowie Verschwommensehen.

Je nach Grunderkrankung und Zustand der betroffenen Person können Angaben von Angehörigen oder Betreuungspersonen zur Klärung der Ursache beitragen.

Körperliche Untersuchung

Im akuten Anfall fällt bei der körperlich-neurologischen Untersuchung der betroffenen Person meist eine beschleunigte, vertiefte Atmung auf, die Hände können in einer bestimmten Stellung, der sog. „Pfötchenstellung" verkrampfen (die Hände bleiben in einer gebeugten Haltung).

Blutentnahme

Ergänzend können anhand einer Blutprobe pH-Wert, Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt untersucht werden, da sich diese Werte bei einer Hyperventilation in typischer Weise ändern.

Behandlung

Das Ziel der Behandlung einer Hyperventilation ist, die zugrunde liegende Erkrankung und den aus dem Gleichgewicht geratenen Säure-Basen-Haushalt auszugleichen. Meist sind dafür keine Medikamente erforderlich.

Im akuten Anfall (häufig z. B. bei einer Panikattacke) steht die Beruhigung der betroffenen Person sowie die Verlangsamung ihrer Atmung an erster Stelle. Falls jemand sich zum ersten Mal in einer solchen Situation befindet, ist es wichtig, zu erklären, dass Hyperventilation sehr bedrohlich wirken kann, aber an sich ungefährlich ist.

Personen, die bereits mehrmals erlebt haben, dass sie hyperventilieren, können den Anfall häufig selbst stoppen, indem sie sich dazu zwingen, ruhig zu atmen, obwohl sie Atemnot erleben und eigentlich tief und schnell ein- und ausatmen wollen.

Wenn der Anfall nicht durch Beruhigung gestoppt werden kann, kann es sinnvoll sein, einige Atemzüge lang in einen dicht vor den Mund gehaltenen Beutel zu atmen. Hierfür können Helfer*innen oder die Betroffenen selbst eine Plastiktüte um die Lippen legen. Die betroffene Person kann diese anschließend aufpusten und dann wieder daraus einatmen. Dadurch wird das zuvor zusätzlich ausgeatmete CO2 wieder eingeatmet, der Säure-Basen-Haushalt kann sich normalisieren und die Symptome verschwinden: Das Kribbeln in den Fingern, Wangen, Lippen und der Zunge nimmt ab, und eventuelle Muskelverkrampfungen gehen zurück.

Falls diese Maßnahmen nicht ausreichen, können Ärzt*innen der betroffenen Person ergänzend ein Beruhigungsmittel anbieten.

Was können Sie selbst tun?

  • Falls Sie aufgrund einer Panikattacke hyperventilieren, machen Sie sich bewusst, dass dieser sehr unangenehme Zustand harmlos und ungefährlich ist.
  • Versuchen Sie bewusst ruhig und langsam zu atmen. Hilfreich kann dabei sein zu zählen und doppelt so lange auszuatmen wie einzuatmen.

Vorbeugung

  • Falls bei Ihnen häufiger Hyperventilationen aufgrund einer Panikstörung oder Angsterkrankung auftreten, scheuen Sie sich nicht psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn Sie besser mit ihrer Erkra nkung umgehen können, werden sie seltener hyperventilieren.
  • Lassen Sie sich von Ärzt*innen/ Psychotherapeut*innen Atem- und Entspannungstechniken zeigen und üben Sie diese regelmäßig, um in der akuten Situation darauf zurückgreifen zu können.
  • Klären Sie Ihr Umfeld über den an sich harmlosen Zustand auf und bitten Sie nahestehende Personen, sie solange zu unterstützen, bis Sie es selbst schaffen einen akuten Anfall von Hyperventilation in den Griff zu bekommen.

Prognose

Die Prognose ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung. Eine Hyperventilationssyndrom für sich genommen, z. B. durch eine Panikattacke ausgelöst, stellt keine lebensbedrohliche Situation dar und lässt sich mit entsprechendem Wissen und den o. g. Techniken in der jeweiligen Situation gut in den Griff bekommen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Catrin Grimm, Ärztin in Weiterbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Klingenberg a. M.

Quellen

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Respiratorische Alkalose. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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