Zum Hauptinhalt springen

Kopfverletzungen

Schwere Kopfverletzungen können lebensbedrohlich sein und erfordern eine umgehende Untersuchung und Behandlung.

Zuletzt revidiert:


Was ist ein Schädel-Hirn-Trauma?

Definition

Ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist die Folge einer Gewalteinwirkung auf den Kopf mit nachfolgender Funktionsstörung, z. B. in Form von Bewusstlosigkeit oder Verletzung des Gehirns.

Ein SHT wird eingeteilt nach der Ausdehung der Verletzung, also geschlossen (keine Verletzung der Hirnhäute) oder offen (Verletzung der Hirnhäute). Eine weitere Einteilung bezieht sich auf das Ausmaß der Bewusstseinsstörung in leicht (früher auch Gehirnerschütterung genannt), mittelschwer und schwer.

Eine Kopfverletzung ohne Verletzung oder Funktionsstörung des Gehirns wird als Schädelprellung bezeichnet. Ein Polytrauma ist eine Verletzung mehrerer Körperregionen, die lebensbedrohlich ist.

Symptome

Typische Zeichen einer Kopfverletzung sind oberflächliche Blutungen/Riss- oder Platzwunden. Es kann zu Schädelverformungen und zum Austritt von Hirnflüssigkeit (Liquor) oder -gewebe kommen.

Als Zeichen einer Schädigung des zentralen Nervenssystems kann es zu Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Schwindel kommen. In schwereren Fällen können neurologische Schädigungen wie Lähmungen, Sprachstörungen, Krampfanfälle und Bewusstlosigkeit auftreten.

Ursachen

Stürze sind besonders im höheren Alter eine häufige Ursache für Schadel-Hirn-Traumata. Bei Kindern sind Sportunfälle für die Hälfte aller SHT verantwortlich. Weitere häufige Ursachen sind Verkehrs- und Arbeitsunfälle.

Im Rahmen eines Polytraumas, also der lebensbedrohlichen Verletzung mehrerer Körperregionen, kommt es in bis zu 58 % der Fälle auch zu einem SHT. Eine primäre Hirnschädigung bezeichnet die Schädigung des Hirngewebes durch die direkte Krafteinwirkung, z. B. durch Beschleunigungs- und Abbremsverletzungen. Sekundäre Hirnschädigungen, z. B. durch Blutdruckabfall oder Sauerstoffmangel, sind für den Großteil der bleibenden Schäden verantwortlich und entstehen durch verschiedene biologische Prozesse als Folge der eigentlichen Verletzung.

Häufigkeit

In Deutschland muss pro Jahr von 332 Patient*innen mit Schädel-Hirn-Verletzungen pro 100.000 Einw. ausgegangen werden, davon sind 91 % als leicht, 4 % als mittel und 5 % als schwer einzustufen.

Männer sind doppelt so oft betroffen wie Frauen. Bei Kindern, die jünger als 15 Jahre sind, liegt die jährliche Häufigkeit bei 661 SHT pro 100.000, davon 91–97,3 % leicht, 1,7–4 % mittelgradig und 1–5 % schwer.

Das SHT ist die häufigste Todesursache bei Erwachsenen unter 45 Jahren.

Untersuchungen

Befragung, ggf. von Angehörigen oder Begleitpersonen

  • Ursache, Ablauf und Intensität der Verletzung werden erfragt.
  • Vorerkrankungen und Risikofaktoren wie eine mögliche Gerinnungshemmung der Patient*innen werden in die Bewertung miteinbezogen.

Erstuntersuchung am Unfallort

  • Bei der Erstuntersuchung am Unfallort werden die Symptome und sichtbare Verletzungen erhoben sowie die Vitalparameter wie Puls, Atmung, Sauerstoffsättigung und Blutdruck gemessen.
  • Zur Einteilung von Schädel-Hirn-Traumata wird die Glasgow Coma Scale verwendet. Sie ermöglicht eine schnelle Einschätzung der Bewusstseinsstörung, die durch geschultes Personal ohne weitere Hilfsmittel erfolgen kann. Es können maximal 15 Punkte erreicht werden:
    • leichtes Schädel-Hirn-Trauma: 13–15 Punkte
    • mittelgradiges Schädel-Hirn-Trauma: 9–12 Punkte
    • schweres Schädel-Hirn-Trauma: 3–8 Punkte
  • Aufgrund einer möglichen Instabilität der Halswirbelsäule (HWS) wird der Kopf besonders vorsichtig auf Verletzungszeichen untersucht.
  • Gedächtnisverlust, Bewusstlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Krampfanfälle und Lähmungszeichen sind Hinweise auf eine Schädigung des Gehirns.

Bildgebung in der Klinik

  • Bei stabilen Vitalfunktionen wird schnellstmöglich eine Computertomografie des Schädels durchgeführt und bei Bedarf im weiteren Verlauf zur Kontrolle wiederholt.
  • Eine Magnetresonanztomografie des Schädels kann bei Bedarf beispielsweise zur Abklärung von Patient*innen mit neurologischen Symptomen ohne auffälligen CT-Befund zum Einsatz kommen.
  • Bei Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahre wird der Schädel per Ultraschall untersucht.
  • Eine Blutuntersuchung wird standardmäßig durchgeführt.

Behandlung

Am Unfallort

Schwere Verletzungen erfordern eine schnellstmögliche Behandlung („Time is Brain!“), um bleibende Schäden am Gehirn zu verhindern.

Daher beginnt die Behandlung von Schwerverletzten mit Schädel-Hirn-Trauma durch das Rettungsteam noch an der Unfallstelle, z. B. durch das Stillen von Blutungen, die Gabe von Sauerstoff oder die Beatmung bei unzureichender Atmung, das Stabilisieren der Halswirbelsäule.

Im Krankenhaus

Abhängig vom Schweregrad der Kopfverletzung erfolgt die weitere Behandlung im Krankenhaus bzw. auf der Intensivstation.

Die Akutversorgung findet im Schockraum statt, um die Vitalfunktionen (Atmung, Herzfrequenz, Blutdruck) sicherzustellen.

Ein erhöhter Hirndruck wird umgehend behandelt, und um weitere Hirnschädigungen zu begrenzen, kann eine Operation notwendig werden.

Zu Hause

Leichtere Kopfverletzungen können unter bestimmten Umständen zu Hause beobachtet und auskuriert werden. Dabei sollten Angehörige bei Veränderungen des Bewusstseinszustandes, bei Lähmungen oder anderen Nervenausfällen oder bei Erbrechen eine sofortige ärztliche Beurteilung der betroffenen Person veranlassen (Notfallkontakt aushändigen).

Prognose

  • In der Frühphase ist die Prognose eines Schädel-Hirn-Traumas meist schwer abschätzbar.
  • Die Nachbehandlung hängt vom Ausmaß der Hirnverletzung und bleibenden Funktionsstörungen ab.
  • Wesentliche prognostische Faktoren nach Kopfverletzungen sind zudem das Alter, die Dauer der Bewusstlosigkeit und die genaue Lage der Hirnschädigung.
  • Mit der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation wird bereits in der Akutphase im Krankenhaus begonnen.
  • In den meisten Fällen mit leichten Kopfverletzungen kommt es innerhalb weniger Tage zur vollständigen Besserung der Symptome.
  • Bei Kindern und Jugendlichen ist die Erholungsphase meist etwas länger.
  • Nach der Dauer der posttraumatischen Störungen werden SHT in drei Grade eingeteilt:
    • Grad I: Rückbildung der Symptome innerhalb von 4 Tagen
    • Grad II: bis zu 3 Wochen anhaltende neurologische Störungen
    • Grad III: länger als 3 Wochen anhaltende Symptome
  • Verbesserungen neurologischer Störungen sind in den ersten 2 Jahren nach dem Trauma möglich.
  • Typische Komplikationen sind Hirnblutungen und epileptische Anfälle. Diese sind jedoch nicht mit einem schlechteren klinischen Ergebnis verbunden.
  • Mögliche Langzeitkomplikationen sind z. B. anhaltende Kopfschmerzen, Gedächtnisstörungen und andere Einschränkungen der Gehirnfunktion, Angst und Depression, Schlafstörungen, Schwindel, Lähmungen und Demenz.
  • Nach einem schweren SHT mit Koma versterben etwa 5–10 % der Betroffenen.

Weitere Informationen

Autor

  • Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien

Quellen

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Kopfverletzungen. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie. Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 008-001, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org 
  2. Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Schädel-Hirn-Trauma im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 024-018. S2k, Stand 2022. www.awmf.org 
  3. Freude G, Mauer UM, Gässler H, Datzmann T. Prähospitale Versorgung des Schädel-Hirn-Traumas. NOTARZT 2017; 33(06):: 300-309. doi:10.1055/s-0043-122293 DOI 
  4. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung. AWMF-Leitlinie Nr. 187-023. S3, Stand 2022. register.awmf.org 
  5. Hagebusch P, Pingel A, Kandziora F, Hoffmann R, Schweigkofler U. Das Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter - Aktuelle präklinische Handlungsempfehlungen. Notfallmedizin up2date 2020; 15 (1):: 59–74. doi.org 
  6. Hoppe K, Klingler W. Schädel-Hirn-Trauma: Pathophysiologie und Notfallmanagement. Anästh Intensivmed 2021;62:118–127. doi.org 
  7. Gänsslen A, Klein W, Schmehl I, Rickels E. Schädel-Hirn-Trauma: Gehirnerschütterung nach Sportunfall wird unterschätzt. Dtsch Arztebl 2016; 113(15): 13. doi:10.3238/PersNeuro.2016.04.15.03 DOI 
  8. Haydel MJ, Assessment of traumatic brain injury, acute, BMJ Best Practice, Last reviewed: 6 Mar 2023 (abgerufen am 05.04.2023). bestpractice.bmj.com 
  9. Bakhos LL, Lockhart GR, Myers R, Linakis JG. Emergency department visits for concussion in young child Athletes. Pediatrics 2010; 126: e550-6. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov 
  10. Firsching, R. Akutes Schädel-Hirn-Trauma mit Bewusstlosigkeit. Dtsch Arztebl Int 2017; 114(18): 313-20. doi:10.3238/arztebl.2017.0313 DOI 
  11. Hufschmidt A, Schnell O. Schädel-Hirn-Trauma (SHT). In: Neurologie compact. Hufschmidt A, Rauer S, Glocker F, Hrsg. 9. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2022. eref.thieme.de 
  12. CRASH trial collaborators. Effect of intravenous corticosteroids on death within 14 days in 10 008 adults with clinically significant head injury (MRC CRASH trial): randomised placebo-controlled trial . Lancet 2004; 364: 1321-8. PubMed 
  13. Bennett MH, Trytko B, Jonker B. Hyperbaric oxygen therapy for the adjunctive treatment of traumatic brain injury. Cochrane Database Syst Rev 2012 Dec 12; 12: CD004609. Cochrane (DOI) 
  14. Lewis SR, Evans DJ, Butler AR, Schofield-Robinson OJ, Alderson P. Hypothermia for traumatic brain injury. Cochrane Database Syst Rev. 2017 Sep 21;9:CD001048.doi: 10.1002/14651858.CD001048.pub5 Review. PubMed PMID: 28933514 www.ncbi.nlm.nih.gov 
  15. Shann F. Hypothermia for traumatic brain injury: how soon, how cold, and how long?. Lancet 2003; 362: 1950-1. PubMed 
  16. Hamilton M, Mrazik M, Johnson DW. Incidence of delayed intracranial hemorrhage in children after uncomplicated minor head injuries. Pediatrics 2010; 126: e33-39. doi.org 
  17. Christensen J, Pedersen MG, Pedersen CB, et al. Long term risk of epilepsy after traumatic brain injury in children and young adults: a population based cohort study. Lancet 2009; 373: 1105-10. PubMed 
  18. Halstead ME, McAvoy K, Devore CD, et al. Returning to learning following a concussion. Pediatrics. 2013;132(5):948-957. doi:10.1542/peds.2013-2867 doi.org 
  19. Barlow KM, Crawford S, Brooks BL, et al. The incidence of postconcussion syndrome remains stable following mild traumatic brain injury in children. Pediatric Neurology. Published Online: June 10, 2015. www.sciencedirect.com 
  20. Bombardier CH, Fann JR, Temkin NR, Esselman PC, Barber J, Dikmen SS. Rates of major depressive disorder and clinical outcomes following traumatic brain injury. JAMA 2010; 303: 1238-45. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov 
  21. Nampiaparampil DE. Prevalence of Chronic Pain After Traumatic Brain Injury. A systematic Review. JAMA 2008; 300: 711-9. PubMed 
  22. Fann JR, Burington B, Leonetti A, Jaffe K, Katon WJ, Thompson RS. Psychiatric illness following traumatic brain injury in an adult health maintenance organization population. Arch Gen Psychiatry 2004; 61:53-61. PubMed 
  23. Tanriverdi F, Senyurek H, et al. High risk of hypopituitarism after traumatic brain injury: A prospective investigation of anterior pituitary function in the acute phase and 12 months after trauma. J Clin Endocrinol Metab 2006; 91: 2105-11. PubMed 
  24. Izzy S, Chen PM, Tahir Z, et al. Association of Traumatic Brain Injury With the Risk of Developing Chronic Cardiovascular, Endocrine, Neurological, and Psychiatric Disorders. JAMA Netw Open. 2022;5(4):e229478. doi.org 
  25. Rickels E, Steudel WI, Repschläger W, Schulte C, Weißgärber H, Wende D. Langzeitfolgen von Schädelhirntraumen mit 10 Jahren Nachbeobachtung. Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 271-6. pmid:10.3238/arztebl.m2023.0046 www.aerzteblatt.de