Postthrombotisches Syndrom
Als postthrombotisches Syndrom bezeichnet man Beschwerden, die nach einer tiefen Bein- oder Beckenvenenthrombose auftreten können. Es entsteht, wenn der Blutfluss gestört ist, weil sich Narben in der Vene gebildet haben oder Venenklappen durch die Thrombose geschädigt wurden.
Was ist das postthrombotische Syndrom?
Definition
Ein postthrombotisches Syndrom entsteht, wenn durch eine tiefe Venenthrombose die Klappen einer Oberschenkel- oder Wadenvene geschädigt wurden und/oder sich Narben gebildet haben, die den Blutfluss stören. Dadurch kommt es 1–2 Jahre nach einer tiefen Beinvenenthrombose zu einem Rückstau und erhöhtem Druck in der betroffenen Vene, was das Bein anschwellen lässt, Schmerzen verursacht und zu Hautschädigungen führt.
Symptome
Typische Symptome für ein postthrombotisches Syndrom sind:
- Schmerzen
- Krämpfe
- Schwere- und Spannungsgefühl
- Gefühlsstörungen
- Juckreiz
- Schwellungen (Ödeme)
- Hautverhärtungen
- Hautverfärbungen
- Rötung
- erweiterte Venen, Krampfadern
- Ekzeme
- Geschwüre (auch als Ulcus cruris bezeichnet) im Bereich des Innenknöchels
Ursachen
Venenklappen in den Beinen helfen, das Blut entgegen der Schwerkraft zum Herzen zurück zu transportieren. Bei einer tiefen Venenthrombose können sie Schaden nehmen, sodass sie nicht mehr richtig schließen und es zu einem Rückstau des Blutes kommt. Zusätzlich können Narben und chronische Entzündungsprozesse in den Venen den Blutfluss erschweren.
Der Rückstau verursacht einen erhöhten Druck auf das Blutgefäß, wodurch das Blut vermehrt durch andere und kleinere Blutgefäße fließt, die näher unter der Haut liegen. Zudem tritt verstärkt Flüssigkeit ins Gewebe aus, was zu Veränderungen der Haut und des Gewebes unter der Haut führt.
Ein höheres Risiko für ein postthrombotisches Syndrom nach einer tiefen Venenthrombose besteht
- bei ausgedehnter körpernaher Oberschenkelthrombose.
- bei Thrombose im selben Bein.
- wenn 1 Monat nach einer Thrombose noch ausgeprägte Symptome oder Auffälligkeiten bestehen.
- wenn sich der Blutfluss innerhalb der ersten 6 Monate nicht normalisiert.
- bei Venenschwäche.
- bei starkem Übergewicht.
- bei Blutgerinnungsstörungen, die unzureichend behandelt werden.
- wenn im Blut dauerhaft vermehrt D-Dimere (Zeichen für ein Blutgerinnsel) nachweisbar sind.
- in höherem Alter.
Häufigkeit
Etwa 1–3 von 1.000 Menschen erkranken pro Jahr an einem postthrombotischen Syndrom. Es tritt bei 20–50 % aller Patient*innen nach einer tiefen Venenthrombose auf. Bei der Mehrzahl der Patient*innen macht es sich im ersten Jahr bemerkbar, teilweise aber auch erst innerhalb von 2 Jahren. Die Wahrscheinlichkeit steigt mit dem Alter: Über 1/3 der Patient*innen sind älter als 60 Jahre.
5–10 % der Patient*innen entwickeln ein schweres postthrombotisches Syndrom.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich innerhalb von 10 Jahren Geschwüre (Ulzerationen) bilden, beträgt fast 5 %.
Untersuchungen
Ein postthrombotisches Syndrom wird in der Regel anhand der Beschwerden und durch eine Untersuchung des Beins diagnostiziert. Nur in Einzelfällen sind bildgebende Untersuchungen (Ultraschall, spezielle radiologische Gefäßuntersuchungen) nötig. Die Diagnose kann frühestens 3–6 Monaten nach einer akuten Thrombose gestellt werden.
Behandlung
Ein postthrombotisches Syndrom ist nicht heilbar. Ziel der Behandlung ist deshalb, die Beschwerden zu lindern sowie das Fortschreiten, Komplikationen wie die Bildung von Geschwüren und eine erneute tiefe Venenthrombose zu vermeiden.
Allgemeine Maßnahmen
Ärzt*innen werden Ihnen Tipps für den Alltag geben, mit denen Sie die Behandlung wesentlich unterstützen können.
Physiotherapie
Hier kommen u. a. Entstauungsgymnastik zur Aktivierung der Venenpumpe, Kneipp-Kaltwasseranwendungen, manuelle Lymphdrainage und intermittierende pneumatische Kompression (Druck durch eine luftgefüllte Manschette) zum Einsatz.
Kompressionsbehandlung („Stützstrümpfe“)
Sie bewirkt, dass sich die Funktion der Venenklappen und der Bluttransport zum Herzen verbessern. Dadurch gehen Schwellungen (Ödeme) in den Beinen zurück. Verordnete Kompressionsstrümpfe sollten Sie konsequent tragen. Oft sind Unterschenkelstrümpfe ausreichend.
Medikamente
Nach einer tiefen Venenthrombose werden Ihnen, abhängig vom individuellen Thromboserisiko, für 3–6 Monate oder länger Gerinnungshemmer zur Vorbeugung einer erneuten Thrombose verschrieben. Weitere Informationen zur Behandlung mit Gerinnungshemmern finden Sie im Artikel Blutgerinnsel in Arm oder Bein, tiefe Venenthrombose (TVT).
Behandlung von Geschwüren
Informationen zur Behandlung von Geschwüren (Ulcus cruris) bei PTS finden Sie im Artikel Schlecht heilende venöse Beingeschwüre.
Operation
Sie kommt erst infrage, wenn andere Behandlungsmethoden keinen ausreichenden Effekt haben. In einem Eingriff können Gefäßverengungen entfernt oder der Blutfluss so umgeleitet werden, dass er anschließend besser funktioniert (durch einen Bypass oder Gefäßprothesen).
Was können Sie selbst tun?
Wichtig für die Behandlung des postthrombotischen Syndroms ist, dass Sie Ihr Verhalten im Alltag anpassen und
- langes Stehen vermeiden, da sich hierbei das Blut in den Beinvenen staut.
- die Beine regelmäßig hochlagern.
- einschneidende Kleidungsstücke vermeiden.
- Überwärmung vermeiden.
- die Haut pflegen, um Geschwüren vorzubeugen.
- sich täglich bewegen, denn Muskelaktivität der Beine unterstützt den Rückfluss des Blutes zum Herzen.
- Bewegungssport treiben (Schwimmen ist besonders gut geeignet).
- verordnete Medikamente und Kompressionsstrümpfe konsequent anwenden.
Prognose
Da ein postthrombotisches Syndrom nicht heilbar ist, bestehen häufig dauerhafte Einschränkungen, die die Lebensqualität beeinträchtigen. Menschen mit einem postthrombotischen Syndrom sind durchschnittlich 2 Monate pro Jahr arbeitsunfähig und gehen 8 Jahre früher in Rente.
Bei regelmäßiger ärztlicher Kontrolle ist ein stabiler Verlauf ohne wesentliche Verschlechterung bei bis zu 50 % der Betroffenen möglich.
Weitere Informationen
- Blutgerinnsel in Arm oder Bein, tiefe Venenthrombose (TVT)
- Schlecht heilende venöse Beingeschwüre
- Postthrombotisches Syndrom – Informationen für ärztliches Personal
Autorin
- Karen Zoufal, Medizinjournalistin, Helmstedt
Quellen
Literatur
Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Postthrombotisches Syndrom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.
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