Hantavirus-Infektion (Nephropathia epidemica)
Die Hantavirus-Infektion ist eine Viruserkrankung, die durch Kontakt mit infizierten Nagetieren oder deren Ausscheidungen verursacht wird. Bei einem milden Verlauf treten ähnliche Symptome wie bei einer Grippeerkrankung auf; Komplikationen können sich in Blutungen und schwerer Nierenbeteiligung äußern. Die Erkrankung heilt von alleine aus.
Was ist eine Hantavirus-Infektion?
Definition
Die Hantavirus-Infektion (Nephropathia epidemica) ist eine Viruserkrankung, die durch Nagetiere wie Mäuse und Ratten übertragen wird. Erreger sind verschiedene Unterarten aus der Gruppe der Hantaviren. Die milde Verlaufsform der Infektion weist Ähnlichkeiten mit einer Grippeerkrankung auf. Typische Begleiterscheinungen können Einschränkungen der Nierenfunktion und vermehrte Neigung zu Blutungen sein (HFRS), siehe unten.
Im Zuge der Infektion kann sich ein sog. hämorrhagisches Fieber (Virusinfektion mit Blutungssymptomen) mit Nierenbeteiligung (HFRS: hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom) entwickeln. Dies tritt hauptsächlich bei Virusarten in Europa und Asien auf. In Nord- und Südamerika vorkommende Virusarten können zudem das Hantavirus-induzierte (kardio-)pulmonale-Syndrom (HPS bzw. HCPS) verursachen.
Symptome
Erste Symptome zeigen sich üblicherweise 2–4 Wochen nach der Infektion. Ausprägung und Art der Symptome sind abhängig von den jeweiligen Erregern. Ein großer Teil der Hantavirus-Infektionen verläuft ohne Symptome bzw. mit uneindeutigen Symptomen.
In der Anfangsphase ähneln die Symptome jenen einer Grippeerkrankung. Typisch sind beispielsweise:
- Fieber (bei ca. 90 % der Betroffenen)
- Schmerzen an Rücken, Kopf, Flanken und/oder Unterleib
- Übelkeit und Durchfall
- Urinveränderungen: schaumiger Urin durch erhöhte Ausscheidung von Eiweiß (Proteinurie) oder blutiger Urin (Hämaturie)
- Nackensteife
- Sehstörungen: Kurzsichtigkeit und gesteigerte Lichtempfindlichkeit
- Thrombozytopenie: Verringerung der Anzahl an Blutplättchen im Blut, wodurch es schneller zu Einblutungen in der Haut kommen kann.
- leichte Blutungen, z. B. Nasenbluten (bei ca. 7 % der Betroffenen)
- blutunterlaufene Augen
- Bluthochdruck (ca. 15 % der Betroffenen) oder niedriger Blutdruck (ca. 10 %)
Etwa eine Woche nach Krankheitsbeginn kann es zudem zu einer Verminderung der Urinmenge (Oligurie) sowie anschließend einer krankhaften Erhöhung (Polyurie) kommen. Beide sind Anzeichen einer eingeschränkten Nierenfunktion.
Ursachen
Die Infektion wird von verschiedenen Erregern aus der Gruppe der Hantaviren ausgelöst. Jede Unterart dieser Virengruppe bevorzugt unterschiedliche Tierarten als Wirtskörper. In Deutschland sind vor allem die Rötelmaus aus der Familie der Wühlmäuse (mit dem Puumalavirus) und die Brandmaus aus der Gattung der Langschwanzmäuse (mit dem Dobrava-Belgrad-Virus Typ Kurkino) betroffen.
Die Infektion erfolgt durch Kontakt mit den Tieren selbst oder ihren Ausscheidungen. Die Viren bleiben in Speichel, Urin und Kot auch in getrocknetem Zustand mehrere Tage lang infektiös. Auf folgenden Wegen können die Viren auf den Menschen übertragen werden:
- durch Einatmen, z. B. von aufgewirbeltem Staub
- durch Tierbisse
- durch Kontakt von verletzter Haut mit kontaminierten Materialien, z. B. Staub oder Böden
- durch verunreinigte Lebensmittel
Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist bei den in Europa und Asien verbreiteten Virusarten nicht bekannt. Hinweise auf eine mögliche Mensch-zu-Mensch-Übertragung gibt es bislang lediglich bei den in Südamerika vorkommenden Virusarten.
Häufigkeit
Hantaviren sind weltweit verbreitet. Da jede Virus-Unterart unterschiedliche Nagetiere als Wirte bevorzugt, ist die Verbreitung an das Vorkommen der jeweiligen Wirtstiere gekoppelt. In Deutschland überwiegen Infektionen mit dem Puumalavirus (vor allem im Süden und Westen des Landes) und dem Dobrava-Belgrad-Virus Typ Kurkino (im Osten und Norden).
Die Häufigkeit varriiert stark von Jahr zu Jahr. Insgesamt wurden hierzulande zwischen 2010 und 2019 durchschnittlich 1,3 Fälle auf 100.000 Einw. pro Jahr gemeldet. Die Hantavirus-Infektion gehört damit zu den fünf häufigsten meldepflichtigen Erkrankungen. Europaweit lagen die Meldungen von Hantavirus-Infektionen im Jahr 2020 bei 1.647 Fällen. Alle 2–3 Jahre kann eine starke Zunahme der Puumala-Virus-Infektionszahlen in bestimmten Regionen Deutschlands beobachtet werden.
Mehr als 2/3 der Erkrankten sind männlich. Davon gehören wiederum mehr als die Hälfte zur Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen.
Untersuchungen
Eine Infektion mit dem Hantavirus wird in der Regel über eine Blutuntersuchung festgestellt. Im Labor lässt sich ein Anstieg von speziellen Antikörpern (IgM und IgG) ermitteln, womit die Infektion nachgewiesen wird. Außerdem können Ärzt*innen die Diagnose durch weitere Untersuchungen absichern:
- Fiebermessen
- Blutdruckmessung
- Harnstreifentest: Der Teststreifen wird in eine Urinprobe getaucht; anhand der Färbung in den jeweiligen Testfeldern lässt sich die Konzentration einzelner Urinbestandteile, wie Blut und Eiweiß, feststellen.
- Ultraschalluntersuchung der Nieren
Behandlung
In der Regel heilt eine Hantavirus-Infektion von selbst aus. Daher zielt eine Behandlung vordergründig darauf ab, die Symptome zu lindern, die Nierenfunktion zu normalisieren und Komplikationen zu verhindern. In weniger als 10 % der Fälle ist aufgrund der Nierenfunktionsstörung eine Klinikeinweisung zur Dialyse zur Reinigung des Blutes erforderlich. Eine spezifische Therapie gegen Hantaviren steht derzeit nicht zur Verfügung.
Was können Sie selbst tun?
Nehmen Sie während der Erkrankung keine NSAR-Schmerzmittel (nichtsteroidale Antirheumatika) wie Ibuprofen oder Diclofenac ein; in Verbindung mit dem Puumalavirus können diese Medikamente eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion begünstigen.
Vorbeugung
Gegen eine Infektion mit Hantaviren existiert derzeit keine wirksame Impfung. Die Vorbeugung besteht daher in erster Linie darin, den Kontakt mit infizierten Nagetieren und deren Ausscheidungen zu vermeiden:
- Halten Sie wildlebende Nagetiere von Wohnbereichen fern (insbesondere Keller, Dachboden, Schuppen usw.). Bewahren Sie zu diesem Zweck Lebensmittel für freilebende Nager unzugänglich auf.
- Vermeiden Sie Staubentwicklung in kontaminierten Bereichen, z. B. durch Befeuchten des Bodens beim Reinigen des Geräteschuppens im Garten.
- Benetzen Sie Mäusekadaver und Exkremente vor der Entsorgung mit einem handelsüblichen Reinigungsmittel.
- Tragen Sie Atemschutzmasken und Handschuhe beim Umgang mit toten Nagetieren und wenn mit Staubentwicklung zu rechnen ist.
- Beim Reinigen getragene Kleidung sofort waschen und nach der Reinigung duschen und die Haare waschen.
Weitere Hinweise zur Vermeidung von Hantavirus-Infektionen finden Sie im Merkblatt des Konsiliarlabors für Hantaviren (Charité Berlin), des RKI und weiterer Einrichtungen.
Meldepflicht gemäß Infektionsschutzgesetz
Eine Infektion mit dem Hantavirus muss dem Gesundheitsamt gemeldet werden. Dies gilt auch bereits für den Krankheitsverdacht ebenso wie für die nachgewiesene Erkrankung mittels Antikörper-Nachweis und den Tod durch virusbedingtes hämorrhagisches Fieber. Die Meldung muss innerhalb von 24 Stunden erfolgen.
Prognose
Die Prognose bei einer Hantavirus-Infektion ist im Allgemeinen gut, da die Erkrankung von allein ausheilt. Bei Infektionen mit dem Puumalavirus (Rötelmaus) liegt die Sterblichkeit deutlich unter 0,1 %. Bei Infektionen mit dem Dobrava-Belgrad-Virus Typ Kurkino (Brandmaus) liegt sie bei 0,3–0,9 %. Infektionen mit anderen Hantavirusarten weisen eine Sterblichkeit infolge von hämorrhagischem Fieber von 5–15 % auf.
Etwa 86 % der Betroffenen entwickeln im Rahmen der Infektion eine vorübergehende Nierenfunktionsstörung. Bei den in Europa und Asien verbreiteten Virustypen bleiben in der Regel keine Langzeitschäden an den Nieren zurück.
Eine überstandene Infektion schützt wahrscheinlich lebenslang vor einer erneuten Erkrankung durch den jeweiligen Virustyp.
Weitere Informationen
- Nephropathia epidemica (Hantavirus) – Informationen für ärztliches Personal
- Konsiliarlabor für Hantaviren (Charité Berlin): Informationen zur Vermeidung von Hantavirus-Infektionen
Autorin
- Nina Herrmann, Wissenschaftsjournalistin, Flensburg
Quellen
Literatur
Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Nephropathia epidemica. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.
- Latus J, Schwab M, Tacconelli E, et al. Clinical Course and Long-Term Outcome of Hantavirus-Associated Nephropathia Epidemica, Germany. Emerg Infect Dis. 2015 Jan; 21(1): 76–83. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Robert Koch-Institut. Hantavirus-Erkrankung. RKI Ratgeber. Stand 13.11.2020. www.rki.de
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- European Centre for Disease Prevention and Control. Hantavirus infection. In: ECDC. Annual epidemiological report for 2020. Stockholm: ECDC; 2023. www.ecdc.europa.eu
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