Enzephalitis durch Krankheitserreger
Eine Enzephalitis ist eine Entzündung des Gehirns. Sie wird am häufigsten durch Viren ausgelöst werden, seltener sind Bakterien die Ursache. Eine frühzeitige Therapie im Krankenhaus ist wichtig, um Folgeschäden und Todesfälle zu vermeiden.
Was ist eine Enzephalitis?
Definition
Eine Enzephalitis ist eine Entzündung des Gehirns, die häufig durch Viren oder seltener durch Bakterien verursacht wird. Oft breitet sich die Entzündung auf die umgebenden Hirnhäute aus. Dann spricht man von einer Meningoenzephalitis.
Die Erkrankung kann in kurzer Zeit sehr schwere Symptome verursachen und lebensbedrohlich werden.
Symptome
Typische Symptome einer akuten Enzephalitis sind:
- Bewusstseinsstörungen, Verwirrtheit
- neurologische Symptome wie Lähmungserscheinungen, Sprachstörungen oder epileptische Anfälle
- Fieber
- bei Beteiligung der Hirnhäute: Nackensteifigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerzen
Bei jüngeren Kindern und Neugeborenen können folgende Symptome vorherrschen:
- Trinkschwäche
- Reizbarkeit
- veränderter Muskeltonus
Ursachen
Bei 40‒60 % der Patient*innen mit einer akuten, durch eine Infektion bedingte Enzephalitis lassen sich die Erreger nachweisen.
- Bei einer virusbedingten Enzephalitis sind Herpes-simplex-Viren die häufigsten Verursacher. Ebenfalls relativ häufige Erreger sind Windpocken-Viren (Varizella-Zoster-Viren), die Erreger von Pfeiffer-Drüsenfieber und die Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis. Auch Viren, die Erkältungen oder Magen-Darm-Infektionen auslösen, können eine Enzephalitis verursachen.
- Bei Rückkehrenden von Fernreisen können auch Erreger tropischer Fiebererkrankungen die Ursache sein, die häufig durch Stechmücken übertragen werden.
- Bakterien rufen seltener eine Enzephalitis hervorrufen, siehe hierzu den Artikel Meningitis und Enzephalitis.
- Bei Personen mit geschwächtem Immunsystem können Parasiten (z. B. Toxoplasma gondii) oder Pilze die Ursache sein.
Gelangen die Erreger über den Blutkreislauf oder entlang der Nerven in das Zentralnervensystem, so können sie sich im Gehirn ausbreiten und dort die Zellen schädigen.
Bei Neugeborenen, Kleinkindern, älteren Menschen sowie Menschen, deren Immunsystem durch Vorerkrankungen geschwächt ist, ist das Risiko, dass sich bei einer Infektion eine Enzephalitis entwickelt, erhöht. Auch Reisende in Länder, in denen bestimmte Enzephalitis-Erreger häufiger vorkommen, tragen ein erhöhtes Risiko, ebenso Menschen mit Kontakt zu Tieren, die Überträger von Krankheitserreger, wie z. B. Tollwut, sein können.
Häufigkeit
Die akute erregerbedingte Enzephalitis ist insgesamt eher selten. Je nach Erreger unterscheiden sich die Häufigkeiten:
Viren
- Etwa 5 von 100.000 Personen pro Jahr haben eine durch Herpes-simplex-Viren verursachte Enzephalitis.
- Bei 1 von 1000 Menschen, die an Windpocken oder Gürtelrose erkrankt sind (Varizella-Zoster-Virus, VZV), kommt es zu einer Enzephalitis.
- Im Jahr 2020 wurden 97 Enzephalitis-Fälle aufgrund von FSME gemeldet. Das entspricht etwa 1,2 von 1.000.000 Personen.
- Bei etwa 1 von 1.000 Masern-Fällen kommt es zu einer Enzephalitis.
- Weltweit sterben jährlich etwa 35.000–100.000 Menschen an Tollwut, 80 von 100 Verstorbenen hatten eine Enzephalitis. In Deutschland kommt Tollwut bei Füchsen oder Haustieren nicht mehr vor, aber weiterhin bei Fledermäusen.
Bakterien
Bakterielle Meningoenzephalitiden sind seltener als virale Infektionen. Noch viel seltender sind Enzephalitiden durch Parasiten oder Pilze.
Alter der Patient*innen
Ein Großteil der Menschen, die an einer akuten erregerbedingten Enzephalitis erkranken, sind zwischen 30 und 55 Jahre alt.
Untersuchungen
Für ein ausführliches Gespräch geht es an akuter Enzephalitis erkrankten Personen oft zu schlecht. Sie sind häufig nicht bei vollem Bewusstsein. Für die Diagnose fragen Ärzt*innen ihnen nahestehende Personen/Begleitpersonen nach den Symptomen und weiteren Hinweisen, z. B. ob eine Infektionskrankheit bekannt ist, ob sie auf einer Fernreise waren, ob eine Immunschwäche bekannt ist oder ob es Insekten- oder Zeckenstiche gab.
Anschließend wird eine Untersuchung auf neurologische Auffälligkeiten durchgeführt. Dabei wird beispielsweise geprüft, ob es Hinweise auf eine Reizung der Hirnhäute gibt.
Erhärtet sich durch die körperliche Untersuchung der Verdacht auf eine Enzephalitis, so ist zügig eine Krankenhauseinweisung notwendig.
Dort werden die körperlichen und neurologischen Symptome genau erfasst. Außerdem erfolgen weitere Untersuchungen:
- Blutproben zur Untersuchung auf allgemeine Entzündungszeichen
- bildgebende Untersuchung (z. B. MRT) des Gehirns
- Messung der Hirnströme (EEG)
- Laboruntersuchung von Liquor (Nervenwasser): Sie kann einen Hinweis auf den Erreger liefern.
Behandlung
Die Behandlung einer Enzephalitis muss schnell erfolgen, um das Risiko für Komplikationen und Folgeerkrankungen möglichst niedrig zu halten. Betroffene mit akuter Enzephalitis werden in der Regel auf der Intensivstation behandelt. Hier werden der Kreislauf und die Atmung überwacht und krankhafte Veränderungen und schwere Symptome sofort behandelt.
Besteht der Verdacht, dass es sich um eine durch Krankheitserreger ausgelöste Enzephalitis handelt, so werden schnellstmöglich Medikamente verabreicht, die gegen die verursachenden Viren oder Bakterien wirksam sind (Virostatika, Antibiotika). Außerdem kommen Sauerstoff, ggf. Flüssigkeit, Kortison, Schmerzmittel und ggf. Medikamente gegen epileptische Anfälle zum Einsatz.
Im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt kann zur Behandlung von verbleibenden Symptomen eine Rehabilitation sinnvoll sein.
Was können Sie selbst tun?
Eine Enzephalitis ist eine ernsthafte Erkrankung, die sich schnell verschlechtern und lebensbedrohlich werden kann. Deshalb sollten Sie bei entsprechenden Symptomen schnellstmöglich ärztliche Hilfe suchen und nichts essen oder trinken.
Ist eine betroffene Person bewusstlos, wählen Sie die 112. Bis zum Eintreffen des Rettungswagens sollten Sie
- für freie Atemwege sorgen.
- die betroffene Person in die stabile Seitenlage bringen.
- enge Kleidung rund um den Hals, die Brust und den Bauch lockern.
Vorbeugung
Infektionen, die eine Enzephalitis nach sich ziehen können, lassen sich vermeiden durch:
- Schutzimpfungen
- Schutz vor Stichen/Bissen von Mücken, Fliegen, Flöhen, Milben, Zecken usw.
- Safer Sex (z. B. Kondome)
- Händewaschen und Desinfektion nach dem Kontakt mit infizierten Menschen
- Bei einigen Infektionskrankheiten besteht die Möglichkeit, nach einer wahrscheinlichen Ansteckung den Ausbruch durch eine passive Impfung (Immunglobuline) zu verhindern (Postexpositionsprophylaxe).
- Besonders wichtig ist diese bei Verdacht auf Kontakt mit einem mit Tollwut infizierten Tier.
Prognose
Je nach Erreger, Alter der betroffenen Person, den Symptomen und der Zeit bis zur Behandlung verläuft eine akute Enzephalitis unterschiedlich: Eine frühe Diagnose und ein rascher Therapiebeginn sind entscheidend.
Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zeigen 62 % der Patient*innen noch neurologische Symptome oder Folgeschäden und 10 % Verhaltensauffälligkeiten.
11–12 % der durch Herpesviren und 12–20 % der durch Varizella-Zoster-Viren verursachten Enzephalitiden verlaufen tödlich. 9–23 % der Menschen mit Enzephalitis, bei denen kein Erreger nachgewiesen werden konnte, sterben.
Weitere Informationen
- Meningitis und Enzephalitis
- Herpes simplex
- Gürtelrose (Zoster)
- Erregerbedingte Enzephalitis – Informationen für ärztliches Personal
Autorin
- Karen Zoufal, Medizinjournalistin, Helmstedt
Quellen
Literatur
Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Enzephalitis, erregerbedingte. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.
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- Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Atypische erregerbedingte Meningoenzephalitiden. AWMF-Leitlinie Nr. 030-061, Stand 2012 (abgelaufen). www.thieme-connect.de
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Meningoenzephalitis, ambulant erworbene bakterielle (eitrige). AWMF-Leitlinie Nr. 030-089. S2k, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org
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