Glossopharyngeusneuralgie
Plötzliche, schneidende oder brennende einseitige Schmerzen in Kiefer, Rachen oder Ohr können vom Gesichtsnerv Glossopharyngeus stammen. Die Erkrankung wird medikamentös behandelt. In schweren Fällen kann eine Operation in Betracht kommen.
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https://deximed.de/home/klinische-themen/neurologie/patienteninformationen/kopfschmerzen/glossopharyngeusneuralgie/Was ist eine Glossopharyngeusneuralgie?
Definition
Glossopharyngeus ist der Name des 9. Hirnnervs und Neuralgie bedeutet Nervenschmerzen. Es handelt sich also um Schmerzen, die von der Nervenbahn des Zungenschlundnerven ausgehen und dem Nervenverlauf folgen. Eine Glossopharyngeusneuralgie ist eine seltene Erkrankung, die sich durch einseitige, periodisch auftretende Schmerzen u. a. in Rachen, Zunge oder Ohr äußern.
Symptome
Es kommt zu plötzlich auftretenden Schmerzepisoden im Bereich der Gaumenmandeln, der hinteren Zunge, des Rachens oder Kehlkopfes, im Mittelohr oder im Kieferwinkel. Die Schmerzen können in Nase, Auge, Kinn oder Schulter ausstrahlen. Sie werden als einschießend, brennend, elektrisierend, scharf oder brennend beschrieben. Sie treten meist einseitig auf, in 12 % der Fälle beidseitig und können mehrmals am Tag über Wochen oder Monate hinweg auftreten.
Patient*innen berichten oft über einen dumpfen Dauerschmerz zwischen diesen Schmerzattacken. Die Schmerzen können zu nächtlichem Erwachen führen.
Während eines Schmerzanfalls kann es zu niedrigem Blutdruck, niedriger Herzfrequenz, Ohnmacht oder einem epileptischen Anfall kommen.
Die Schmerzanfälle können spontan auftreten oder z. B. durch Schlucken, Sprechen, Kauen, Husten oder Gähnen ausgelöst werden. Auch ein bestimmter Geschmack, Berührungen der Rachenschleimhaut oder des äußeren Gehörgangs können Schmerzen auslösen.
Da das Schlucken und Kauen häufig Schmerzen verursacht, verlieren viele Patient*innen an Gewicht. Die Erkrankung kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen und zu Depressionen führen.
Die Glossopharyngeusneuralgie ähnelt der Trigeminusneuralgie, einem weiteren Schmerzzustand eines Gesichtsnervs.
Ursachen
Man geht davon aus, dass die Erkrankung meist auf eine Nervenkompression (Nerveneinengung) zurückzuführen ist, die durch Gefäße entsteht, die in unmittelbarer Nähe verlaufen. Die räumliche Nähe und Pulsationen (Ausdehnung und Zusammenziehen) des Gefäßes führen zur Schädigung der schützenden Nervenhülle und lösen die typischen Schmerzen aus.
Häufigkeit
- Auf 100.000 Einw. treten jährlich etwa 0,7 neue Fälle auf.
- Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen.
- Eine Glossopharyngeusneuralgie ist deutlich seltener als die Trigeminusneuralgie (4–5 Fälle auf 100.000 Einw.).
- Die Erkrankung tritt in der Regel erstmals im Erwachsenenalter auf.
- Etwa die Hälfte der Patient*innen entwickeln Symptome vor dem 50. Lebensjahr.
Untersuchungen
Die Diagnose wird üblicherweise aufgrund von Schilderungen der Beschwerden gestellt. Um andere Ursachen auszuschließen, wie z. B. multiple Sklerose, Autoimmunerkrankungen, Verletzungen der Halswirbelsäule oder Tumorerkrankungen wird üblicherweise eine MRT des Gehirns durchgeführt.
Behandlung
Medikamente
Die medikamentöse Behandlung mit dem Antiepileptikum Carbamazepin ist die erste Wahl. Andere Medikament gegen Epilepsie (wie Pregabalin) oder Medikamente, die bei Depressionen verordnet werden, können in Betracht gezogen werden, vor allem bei einer mangelhaften Wirkung von Carbamazepin.
Eine weitere Möglichkeit ist das Setzen einer lokalen Betäubungsspritze in den vom Nerv gereizten Bereich.
Operation
Die Behandlung mit Antiepileptika ist jedoch nicht immer erfolgversprechend, sodass eine Operation in Betracht kommen kann. Es stehen mehrere chirurgische Verfahren zur Verfügung:
- Der Druck des Gefäßes auf den Nerv kann reduziert werden, indem in einer mikrochirurgischen Operation Nerv und Gefäß voneinander getrennt werden und ggf. ein Teflonkissen dazwischen gelegt wird. Die Erfolgsraten liegen bei 90 % und die Komplikationsraten sind sehr gering.
- Bei der anderen Behandlungsmethode wird der Nerv mit einem Gamma-Knife, das ähnlich wie ein Brennglas arbeitet, durch Hitze verödet. Die Erfolgsquote liegt etwa 80 % nach der Operation, nach 5 Jahren etwa 50 %. Komplikationen können eine Minderung des Geschmackssinns, Gefühlsstörungen im betreffenden Bereich, eine Minderung des Würgereflexes und Schluckbeschwerden sein.
Prognose
Die Krankheit kann die Lebensqualität beeinträchtigen. Die Verläufe können individuell sehr unterschiedlich sein und bei vielen Betroffenen können sich Phasen von längerer Beschwerdefreiheit mit Schmerzphasen abwechseln. Die Wirkweise der medikamentösen Behandlung ist nicht immer zufriedenstellend, sodass ein operativer Eingriff eine weitere Behandlungsmöglichkeit darstellen kann. Die Rückfallrate nach der Behandlung beträgt 3,6 % im Jahr.
Weitere Informationen
- Trigeminusneuralgie
- Glossopharyngeusneuralgie – Informationen für ärztliches Personal
Autorin
- Susanna Allahwerde, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin
Quellen
Literatur
Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Glossopharyngeusnevralgi . Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.
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