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Sterbe- und Suizidhilfe

Sterbe- und Suizidhilfe kann Personen mit einer begrenzten Lebenserwartung und fortschreitender Erkrankung das Beenden des eigenen Lebens ermöglichen.

Zuletzt revidiert:


Was ist Sterbe- und Suizidhilfe?

Sterbe- und Suizidhilfe kommen dann infrage, wenn bei betroffenen Personen eine Aussicht auf Heilung nicht mehr gegeben ist und damit ein Sterben ermöglicht wird.

Definitionen

Es gibt verschiedene Arten der Sterbehilfe.

Aktive Sterbehilfe

Bei der aktiven Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) erfolgt die Herbeiführung des Todes von weiteren Personen und nicht von der betroffenen Person selbst. Beispielsweise spritzt eine Pflegekraft auf Verlangen der erkrankten Person ein tödliches Medikament. Die aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten und wird strafrechtlich verfolgt. Eine weitere Bezeichnung für aktive Sterbehilfe ist der in Deutschland aufgrund der Krankenmorde im Nationalsozialismus zu vermeidende, aber international gebräuchliche Begriff „Euthanasie“.

Sterben zulassen

Der frühere Begriff „passive Sterbehilfe“ wurde ersetzt. Nun wird deutlicher, dass Sterben zugelassen wird, indem ein Behandlungsabbruch oder ein Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen den natürlichen Tod der erkrankten Person erlauben.

Dies kann z. B. der Fall sein, wenn eine krebskranke Person im Koma liegt und auf künstliche Beatmung angewiesen ist. Falls sie in ihrer Patientenverfügung lebensverlängernde Maßnahmen abgelehnt, gibt es die Möglichkeit, das Beatmungsgerät abzuschalten, weil dies ihrem mutmaßlichen Willen entspricht.

Behandlung am Lebensende

Früher wurde diese Form der Sterbehilfe als „indirekte Sterbehilfe“ bezeichnet. Sie beinhaltet medizinische Maßnahmen, ohne die belastende Symptome wie z. B. Störungen der Atmung, starke Schmerzen oder ein Delir nicht beherrscht werden können, bei denen jedoch die Möglichkeit besteht, dass der natürliche Prozess des Sterbens verkürzt wird, z. B. durch hochdosierte Schmerzmittel oder Medikamente, die Betroffene in einen Dämmerzustand versetzen.

Eine Lebensverkürzung darf als Nebenwirkung in Kauf genommen werden, sofern die betroffene Person sorgfältig darüber aufgeklärt wurde und eingewilligt hat.

Weiterhin gibt es die Möglichkeit der palliativen Sedierung, bei der die verabreichten Medikamente zu einem verminderten Bewusstsein bis hin zur Bewusstlosigkeit führen können. Sie kann infrage kommen, um Symptome zu lindern, die auf andere Maßnahmen nicht oder nur unzureichend ansprechen. Die palliative Sedierung erfordert die sorgfältige Aufklärung und Einwilligung der betroffenen Person und darf nur von bestimmten erfahrenen Personen durchgeführt werden.

Suizid

Ein Suizid ist die vorsätzliche Beendigung des eigenen Lebens, bei der die betroffene Person den letzten Schritt der Handlung noch beherrscht und daher im juristischen Sinn die sog. Tatherrschaft über das Geschehen hat. Auch die Verweigerung von Nahrung, Flüssigkeit oder Medikamenten gilt als Suizid.

Assistierter Suizid, Beihilfe zum Suizid

Beim assistierten Suizid unterstützt eine andere Person den sterbewilligen Menschen beim Suizid, sie führt jedoch die eigentliche tödliche Handlung nicht aus. Beispielsweise werden von Ärzt*innen bestimmte Medikamente in einer Menge verordnet, die ausreicht, damit die betroffene Person ihr Leben selbst beenden kann.

Geschäftsmäßige Sterbehilfe

Von geschäftsmäßiger Sterbehilfe spricht man, wenn sich Personen, die sterben möchten, über Ärzt*innen, eine Organisation oder einen Verein ein tödliches Medikament beschaffen. Voraussetzung für die Bezeichnung „geschäftsmäßige Sterbehilfe“ ist, dass die entsprechenden Stellen diese Dienstleitung regelmäßig betroffenen Personen zur Verfügung stellen.

Rechtslage in Deutschland

Aktive Sterbehilfe

Die aktive Sterbehilfe oder der Versuch diese durchzuführen, wird gemäß § 216 Strafgesetzbuch als Tötungsdelikt (Tötung auf Verlangen) beurteilt und kann zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren führen. Auch der Versuch ist strafbar.

Behandlung am Lebensende und Sterben zulassen

„Sterben zulassen“ ist straflos oder sogar ethisch und rechtlich geboten, wenn dies dem mündlich geäußerten, schriftlich festgehaltenen (z. B. Patientenverfügung) oder mutmaßlichen Willen (in früheren Gesprächen mit Angehörigen hat sich die betroffene Person entsprechend geäußert) der betroffenen Person erfüllt.

Das gilt auch dann, wenn bei der Linderung von Symptomen in Kauf genommen wird, dass die betroffene Person dabei sterben könnte. Eine Behandlung darf grundsätzlich nur mit der Einwilligung oder – in Notfällen – der mutmaßlichen Einwilligung der behandelten Person erfolgen. Eine ohne wirksame Einwilligung erfolgte Behandlung ist als Körperverletzung strafbar, und die ausführende Person kann zusätzlich für den daraus entstandenen Schaden aufkommen müssen.

Assistierter Suizid, Beihilfe zum Suizid

Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz umfasst laut Bundesverfassungsgericht (BVG) auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Im einschlägigen Urteil von 26.02.2020 heißt es u. a.:

  • „Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.“
  • „Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.“
  • „Der hohe Rang, den die Verfassung der Autonomie und dem Leben beimisst, ist grundsätzlich geeignet, deren effektiven präventiven Schutz auch mit Mitteln des Strafrechts zu rechtfertigen. Wenn die Rechtsordnung bestimmte, für die Autonomie gefährliche Formen der Suizidhilfe unter Strafe stellt, muss sie sicherstellen, dass trotz des Verbots im Einzelfall ein Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe real eröffnet bleibt.“

Als Konsequenz des BVG-Urteils vom 26.02.2020 wurde das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt und gilt damit nicht mehr.

Gesetzliche Neuregelung im Deutschen Bundestag

Im Deutschen Bundestag wird derzeit eine gesetzliche Neuregelung der Suizidhilfe erarbeitet (Stand Juli 2022), die Beschäftigung mit folgenden Fragen steht dabei im Vordergrund:

  • Wie kann sichergestellt werden, dass Sterbewillige eine selbstbestimmte Entscheidung treffen?
  • Ist die Befürchtung berechtigt, dass ältere Menschen und Menschen mit vielen schweren Erkrankungen sich bei entsprechend geänderter Rechtslage häufiger (assistiert) suizidieren, weil sie ihren Mitmenschen nicht zur Last fallen wollen?
  • Wie und durch wen soll geprüft werden, ob die betroffene Person aufgrund einer schweren Krankheit oder aus anderen Gründen sterben möchte? 
  • Wie lassen sich die Ziele der Suizidprävention (also die Verringerung von Suiziden), insbesondere bei Menschen mit schweren psychischen Störungen, mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben vereinbaren?
  • Wie lange soll der Sterbewunsch bestehen, um die Bewilligung einer Suizidhilfe zu begründen?
  • Dürfen Suizidhilfeberechtigte ein hoch dosiertes Betäubungsmittel erhalten?
  • Soll geschäftsmäßige Sterbehilfe grundsätzlich wieder strafrechtlich verfolgt werden? 

Maßnahmen und Empfehlungen

Behandlung am Lebensende und Sterben zulassen

Entscheidend ist, dass der Wille der betroffenen Person an erster Stelle steht und ein künstliches Verlängern des Sterbens vermieden werden sollte. Daher sollten Ärzt*innen gemeinsam mit Betroffenen, Angehörigen und Pflegepersonen Ziele einer Behandlung überprüfen und ggf. anpassen.

Wunsch nach assistiertem Suizid

Wichtige Fragen klären

  • Wie lange besteht der Todeswunsch bereits?
  • Worauf gründet er?
    • z. B. Gefühl von Auswegslosigkeit, Angst vor Krankheit/Schmerzen, Trauer über den Verlust eines nahestehenden Menschen, der Wunsch, anderen nicht zur Last zu fallen
  • Tritt der Sterbewunsch im Rahmen einer schweren Erkrankung auf?
    • Hier ist u. U. eine Überweisung zur Psychoonkologie oder Palliativmedizin sinnvoll.
  • Liegt eine psychische Erkrankung vor?
    • Dann kann eine psychologische oder psychiatrische Behandlung angezeigt sein.

Nach Lösungen suchen

  • Alle Möglichkeiten der Palliativversorgung und -pflege ausschöpfen.
  • Die Lebensqualität in den Vordergrund stellen.
  • Psychische Erkrankungen erkennen und behandeln.
  • Unerfüllte Bedürfnisse (menschliche Nähe, Bewegung, Entspannung, Natur, soziale und kulturelle Teilhabe, Sinn) erkennen und nach Lösungen suchen, möglichst gemeinsam mit Betroffenen, Angehörigen und ggf. Pflegekräften.

Ärztlich assistierter Suizid gemäß BVG-Urteil von 2020?

  • Mehraugenprinzip: Entscheidungen werden im Team getroffen zusammen mit dem sterbewilligen Menschen, den Angehörigen, Palliativmediziner*innen, Psychotherapeut*innen und ggf. Seelsorg*innen.
  • Die palliative Sedierung ist das letzte Mittel und nur nach umfassender, schriftlich dokumentierter Aufklärung der sterbewilligen Person möglich.

Weitere Informationen

Autorinnen

  • Ulrike Boos, Redakteurin von Deximed, Freiburg
  • Catrin Grimm, Ärztin in Weiterbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Klingenberg a. M.

Quellen

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Sterbe- und Suizidhilfe. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Hausärztliche Beratung „Ganz am Ende des Lebens" unter Berücksichtigung der rechtlichen Aspekte. AWMF-Leitlinie Nr. 053-038. S1, Stand 2013 (abgelaufen). www.degam.de 
  2. Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin. Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. AWMF-Leitlinie Nr. 128-001OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org 
  3. Bundesministerium der Justiz. Strafgesetzbuch (StGB) § 216 Tötung auf Verlangen. Gesetze im Internet. Zugriff am 08.07.2022 www.gesetze-im-internet.de 
  4. Bundesministerium der Justiz. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 630d Einwilligung. Gesetze im Internet. Zugriff am 08.07.2022 www.gesetze-im-internet.de 
  5. Bundesministerium der Justiz. Strafgesetzbuch (StGB) § 223 Körperverletzung. Gesetze im Internet. Zugriff am 08.07.2022 www.gesetze-im-internet.de 
  6. Bundesministerium der Justiz. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 823 Schadensersatzpflicht. Gesetze im Internet. Zugriff am 08.07.2022 www.gesetze-im-internet.de 
  7. Bundesverfassungsgericht. Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15. Zugriff am 08.07.2022. www.bundesverfassungsgericht.de 
  8. Bundesministerium der Justiz. Strafgesetzbuch (StGB) § 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung. Gesetze im Internet. Zugriff am 08.07.2022 www.gesetze-im-internet.de 
  9. Abgeordnete nehmen in Orientierungsdebatte Stellung zur Suizidhilfe. Deutscher Bundetag, Textarchiv; 21.04.2021. Zugriff am 09.07.2022 www.bundestag.de 
  10. 124. Deutscher Ärztetag (online) 04. bis 05.05.2021. Beschlussprotokoll. Zugriff am 09.07.2022. www.bundesaerztekammer.de 
  11. Möller HJ. The ongoing discussion on termination of life on request. A review from a German/European perspective. Int J Psychiatry Clin Pract 2021;25:2-18. PMID: 32729770 PubMed 
  12. van der Heide A, Onwuteaka-Philipsen BD, Rurup ML, et al. End-of-life practices in the Netherlands under the Euthanasia Act. N Engl J Med 2007;356: 1957-65. PMID: 17494928 PubMed 
  13. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Ärztlich assistierter Suizid. Stellungnahme vom 17.09.2015. Zugriff am 09.09.2022. www.dgppn.de