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Krankheitsangststörung (hypochondrische Störung)

Menschen mit Krankheitsangst befürchten, an einer schweren körperlichen Erkrankung zu leiden. Die hypochondrische Störung ist häufig begleitet von Depression und Angst, sie ist eine psychische Erkrankung, bei der die Betroffenen Hilfe benötigen.

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Was ist eine Krankheitsangststörung?

Definition

Eine hypochondrische Störung oder Krankheitsangststörung bezeichnet Ängste, eine oder mehrere schwere körperliche Erkrankungen zu haben, die über einen längeren Zeitraum bestehen.

Symptome

Typische Symptome einer Krankheitsangststörung können sein:

  • Mindestens 6 Monate anhaltende übermäßige Beschäftigung mit der Sorge, eine oder mehrere ernsthafte körperliche Krankheiten zu haben oder zu bekommen.
  • Die betroffene Person
    • klagt anhaltend über körperliche Beschwerden, bei denen gesunde Körperfunktionen (z. B. Herzschlag, Darmbewegungen) als Ausdruck einer (schweren) Krankheit wahrgenommen werden.
    • hat starke Ängste hinsichtlich ihrer Gesundheit und/oder ist diesbezüglich leicht zu beunruhigen.
    • ist übermäßig häufig mit dem Kontrollieren ihres eigenen Körpers beschäftigt.
    • besucht übermäßig häufig Ärzt*innen auf oder vermeidet Arztbesuche.
  • Die Aufmerksamkeit ist oft auf ein oder zwei bestimmte Organe oder Organsysteme (z. B. Magen-Darm-Trakt, Herz-Kreislauf-System) gerichtet.
  • Die hypochondrische Störung ist häufig begleitet von Depression und Angst.

Am häufigsten bestehen Ängste an folgenden schwerwiegenden Erkrankungen zu leiden (in absteigender Häufigkeit):

  • Krebserkrankung
  • Herzerkrankung
  • Erkrankungen des Nervensystems, die die Betroffenen stark einschränkt (z. B. multiple Sklerose).
  • Infektionskrankheit (z. B. AIDS).

Häufig entwickelt sich eine Krankheitsangststörung, wenn die betroffene Person bereits eine der folgenden Erkrankungen hat:

Ursachen

Wahrscheinlich entsteht eine hypochondrische Störung als Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren. Dabei werden u. a. diskutiert:

  • vererbte Faktoren und Umwelteinflüsse sowie ein Wechselspiel aus beiden
  • Schwierigkeiten in der Stressverarbeitung (das zuständige Hormonsystem ist permanent aktiviert)
  • psychische Belastungen, Verlusterfahrungen und Traumata
  • Stresserlebnisse in der frühen Kindheit und wenig verlässliche Bezugspersonen.

Folgende Faktoren scheinen die Anfälligkeit für eine hypochondrische Störung zu erhöhen:

  • Elternverhalten: In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass übermäßige Aufmerksamkeit gegenüber körperlichen Symptomen und starke Gesundheitsangst bei den Eltern die Anfälligkeit für eine Krankheitsangst bei ihren Kindern ebnen können.
  • Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, z. B. die häufige Beschäftigung der betroffenen Person mit Gesundheit und Körper sowie ein Gefühl, anfällig für Krankheiten zu sein.
  • Sexueller Missbrauch und Misshandlung: Im Vergleich zu Kontrollpersonen berichteten Menschen, die an Hypochondrie leiden, häufiger von sexuellen Übergriffen und körperlichem Missbrauch in der Kindheit.
  • Wichtige Lebensereignisse: Hypochondrische Vorstellungen können ausgelöst werden durch eine schwere Erkrankung im engen Familienkreis, einen Todesfall oder eine neue Lebenssituation mit neuer Verantwortung, z. B. Elternschaft.

Häufigkeit

Im Laufe eines Jahres erkranken im Durchschnitt 1–10 % der Bevölkerung an einer Krankheitsangst, Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen, Kinder können ebenfalls betroffen sein.

Untersuchungen

Wiederholte Arztbesuche der betroffenen Person sind meist typisch für eine Krankheitsangststörung. Häufig werden auch verschiedene Ärzt*innen aufgesucht, weil sich die Betroffenen mit Ärzt*innen über die Diagnose uneinig sind oder darüber, was zu tun ist. Sie können auch fest davon überzeugt sein, dass eine schwerwiegende Ursache für ihre Beschwerden vorliegt, obwohl dies mehrfach bei Untersuchungen nicht bestätigt werden konnte.

Anamnese – das ärztliche Gespräch

Hinweise für eine Krankheitsangststörung können von Ärzt*innen durch ein ausführliches Gespräch mit den Betroffenen erfasst werden. Um ein möglichst genaues Bild der Erkrankung zu erhalten, beziehen sich Fragen auf:

  • die Art der Ängste (Betroffene befürchten z. B. an Krebs, AIDS oder einer schweren Herzerkrankung zu leiden oder bald zu sterben)
  • die Grundstimmung
  • die bisherige Entwicklung der Erkrankung
  • die aktuellen Lebensumstände und den Lebensstil
  • familiäre Belastungen
  • weitere psychische und/oder körperliche Erkrankungen
  • körperliche Beschwerden.

Zusätzlich können Fragebögen zur Beurteilung der Art und des Schweregrads der Angststörung verwendet werden. Das Gespräch kann außerdem mit dem Befragen von Angehörigen ergänzt werden. Eine Überweisung zu Spezialist*innen kann für weitere Untersuchungen, zur Ermittlung des Schweregrades, zur Feststellung möglicher weiterer psychischer Beschwerden bzw. Erkrankungen und zum Einleiten einer Behandlung erfolgen.

Körperliche Untersuchung

Zum Ausschluss von körperlichen Ursachen können zusätzlich zur körperlichen Untersuchung ein EKG und Blutuntersuchungen (z. B. Blutbild, Blutzucker, Schilddrüsenhormone) durchgeführt werden. In einigen Fällen können weitere Untersuchungen bei Spezialist*innen sinnvoll sein. Bei den genannten körperlichen Untersuchungen ist zu betonen, dass diese dem Ausschluss körperlicher Ursachen dienen. Wurden sie bereits durchgeführt, bringen immer mehr Untersuchungen keinen weiteren Vorteil, sondern verunsichern eher oder sorgen darüber hinaus für weitere neue Ängste.

Falls körperliche Ursachen ausgeschlossen sind und sich nach 3 Monaten keine Besserung einstellt, sollte eine Untersuchung durch Spezialist*innen im Bereich der Psychiatrie/psychosomatischen Medizin erfolgen.

Behandlung

Behandlungsziele

Die Ziele sollten individuell gemeinsam von den Betroffenen und den Behandler*innen festgelegt werden. Dabei ist von großer Bedeutung, dass die Person mit Krankheitsangst ein Verständnis für die Zusammenhänge ihrer Erkrankung entwickelt (z. B. Teufelskreis der Angst) und lernt, sie zu akzeptieren.

Im Rahmen der Behandlung können Betroffene Techniken erlernen, die dafür sorgen, dass:

  • sie besser mit ihrer Erkrankung umgehen können (mit oder trotz der Beschwerden).
  • sich ihre Beschwerden lindern und ihre Lebensqualität verbessert.
  • die Erkrankung nicht chronisch wird.
  • sie mehr Selbstwirksamkeit erleben, also beeinflussen können, wie es ihnen geht.
  • sie sich körperlich aktiv bleiben.
  • sie soziale Kontakte wieder aufnehmen bzw. pflegen.
  • sie Regeneration und Entspannung erlernen.

Psychotherapie

Eine hypochondrische Störung wird in der Regel psychotherapeutisch behandelt. Die Form der Psychotherapie, deren Wirkung am besten belegt ist und die derzeit als Behandlung der Wahl empfohlen wird, ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Sie kann bereits von entsprechend qualifizierten Hausärzt*innen eingeleitet werden, die weitere Betreuung übernehmen meist Spezialist*innen (Psychotherapeut*innen).

Medikamentöse Behandlung

Bei einer Krankheitsangststörung konnte bei einer Behandlung mit Medikamenten keine positive Wirkung nachgewiesen werden, es sei denn die betroffene Person leidet zusätzlich an einer Depression oder einer wahnhaften Störung.

Was können Sie selbst tun?

Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz. 1

  • Berichten Sie Ihren Ärzt*innen auch von Beschwerden, die für Sie vielleicht erst einmal nichts mit dem eigentlichen Grund Ihres Arztbesuchs zu tun haben.
  • Treiben Sie Sport und bleiben Sie im Alltag aktiv, pflegen Sie Hobbys und soziale Kontakte, über- oder unterfordern Sie sich dabei nicht.
  • Vermeiden Sie zu viel Aufmerksamkeit ebenso wie Unachtsamkeit dem Körper gegenüber. Wechseln Sie ab zwischen Phasen der Aktivität und ganz bewussten Phasen der Entspannung und Regeneration. Erlernen Sie dazu am besten eine auch alleine zuhause anwendbare Entspannungsmethode.
  • Leben Sie gesund, achten Sie auf eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung.
  • Treffen Sie sich mit Menschen, mit denen Sie sich austauschen können, z. B. durch den Besuch einer Selbsthilfegruppe.
  • Holen Sie sich Informationen zu Ihrer Erkrankung über seriöse Quellen, vermeiden Sie es jedoch, sich ausschließlich damit zu beschäftigen und sich Informationen über unseriöse Quellen im Internet zu beschaffen.
  • Nehmen Sie Hilfe an!

Prognose

  • Die Prognose einer hypochondrischen Störung ist abhängig davon, wie schwer die betroffene Person zu Störungsbeginn erkrankt ist.
  • Der Verlauf ist unterschiedlich, eine Spontanheilung ist selten, wenn die Beschwerden bereits länger als 12 Monate andauern.
  • Zu einer Heilung kommt es bei 30–50 % der Betroffenen mit einer hohen Erfolgsrate bei Anwendung der kognitiven Verhaltenstherapie.
  • Die Erkrankung kann ohne eine entsprechende Behandlung lebenslang andauern, dann unterziehen sich viele Erkrankte oft ohne Erfolg zahlreichen Untersuchungen und Behandlungsversuchen.

Weitere Informationen

Hotlines

  • Telefonseelsorge : Die kostenfreie Hotline ist über die Telefonnummern 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222 und 116 123 erreichbar.
  • SeeleFon : Hotlines unter 0180 950 951 (Telefonkosten bei Anrufen aus dem deutschen Festnetz entsprechend Ihres Telefonvertrags) und unter 0228 7100 2424 (dt. Festnetzgebühren) jeweils Mo bis Do 10.00–12.00 + 14.00– 20.00 Uhr, Fr 10.00–12.00 + 14.00–18.00 Uhr. Beratungstelefon der Familien-Selbsthilfe Psychiatrie, richtet sich an psychisch erkrankte Menschen und angehörige Personen/Familienmitglieder. Beraten wird durch selbsterfahrene Betroffene oder Angehörige.
  • Info-Telefon Depression : Hotline kostenfrei unter 0800 3344 533. Bietet krankheits- und behandlungsbezogene Informationen und Anlaufstellen im Versorgungssystem. Sprechzeiten sind Mo, Di, Do 13.00–17.00 Uhr, Mi, Fr 8.30–12.30 Uhr.

Website

Selbsthilfegruppen

Quellen

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Krankheitsangststörung (hypochondrische Störung). Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM). Funktionelle Körperbeschwerden. AWMF-Leitlinie Nr. 051-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org 
  2. Rief W, Henningsen P: Somatoforme Störungen (ICD-10 F45). In: Vorderholzer U, Hohagen F (Hrsg.): Therapie psychischer Erkrankungen – State of the Art. München: Elsevier 2019; S. 314–23.
  3. Rask C, Munkholm A, Clemmesen L, et al. Health Anxiety in Preadolescence - Associated Health Problems, Healthcare Expenditure, and Continuity in Childhood. Journal of Abnormal Child Psychology 2015. PMID: 26311618. PubMed 
  4. Fallon BA, Harper KM, Landa A et al. Personality disorders in hypochondriasis: prevalence and comparison with two anxiety disorders. Psychosomatics 2012; 53: 566-74. PMID: 22658329 PubMed 
  5. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021; letzter Zugriff 14.07.2022 www.dimdi.de 
  6. Krankheitsangststörung. In: Wirtz MA (Hrsg.): Dorsch Lexikon der Psychologie. Bern: Hogrefe 2022. dorsch.hogrefe.com 
  7. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Zwangsstörungen. AWMF-Leitlinie Nr. 038-017. S3, Stand 2022. www.awmf.org 
  8. Tyrer P, Salkovskis P, Tyrer H, et al. Cognitive-behaviour therapy for health anxiety in medical patients (CHAMP): a randomised controlled trial with outcomes to 5 years. Health Technol Assess 2017 Sep; 21(50): 1-58. pmid:28877841 PubMed 
  9. Weck F, Neng JM, Richtberg S, Stangier U. Dysfunctional beliefs about symptoms and illness in patients with hypochondriasis. Psychosomatics. 2012 Mar-Apr. 53(2):148-54. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov 
  10. McManus F, Surawy C, Muse K, Vazquez-Montes M, Williams JM. A randomized clinical trial of mindfulness-based cognitive therapy versus unrestricted services for health anxiety (hypochondriasis). J Consult Clin Psychol. 2012 Oct. 80(5):817-28. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov 

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e.V. (DGPM), Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin e.V. (DKPM). Funktionelle Körperbeschwerden verstehen und bewältigen. Leitlinie für Betroffene und ihre Angehörigen. AMWF-Patientenleitlinie Nr. 051-001. S3, Stand 2020. www.awmf.org