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Antidepressiva-Absetzsyndrom

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Was ist das Antidepressiva-Absetzsyndrom?

Definition

Wird eine Behandlung mit Antidepressiva abgebrochen oder wird die Dosis reduziert, kann es meist innerhalb von einer Woche zum sog. Absetzsyndrom kommen.

Die Symptome können denen eines grippalen Infekts ähneln, aber es können auch weitere sehr unterschiedliche Beschwerden auftreten.

Symptome

Die häufigsten Beschwerden sind:

  • Schwindel, Benommenheit
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Abgeschlagenheit
  • Kopfschmerzen
  • Übelkeit, Erbrechen
  • Schlafstörungen bis zur Schlaflosigkeit, Albträume
  • stromschlagähnliche Missempfindungen
  • Reizbarkeit, Angst, starke Unruhe.

Die Symptome stehen in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Absetzen der Medikamente und treten vorübergehend auf. Meist bilden sie sich von selbst innerhalb von 2–6 Wochen zurück. In der Regel bessern sich die Symptome schnell, wenn die verordneten Medikamente wieder eingenommen werden.

Häufigkeit

Wie oft das Absetzsyndrom vorkommt, ist nicht ausreichend belegt. Die Häufigkeit schwankt in verschiedenen Studien zwischen 1 % und 86 %.

Ursachen

Die Ursache des Absetzsyndroms ist nicht mit Sicherheit geklärt, es scheint aber einen Zusammenhang mit der Behandlungsdauer und der Art des verwendeten Antidepressivums zu geben. Bei einer Einnahmedauer von mehr als 4–8 Wochen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Absetzsyndrom auftritt, umgekehrt scheint aber eine besonders lange Einnahmedauer (über Jahre) nicht das Risiko für ein Absetzsyndrom zu erhöhen.

Untersuchungen

Wenn Ihnen Antidepressiva verschrieben wurden und Sie die Dosis verändert haben, weisen die o. g. Symptome auf ein Absetzsyndrom hin. Weitere Fragen der Ärzt*innen können sein:

  • Haben Sie Ihre Medikamente ein- oder mehrmalig vergessen?
  • Haben Sie die Dosis des verordneten Antidepressivums reduziert?
  • Haben Sie das Medikament abgesetzt?

Das Absetzsyndrom tritt normalerweise innerhalb von etwa 2–4 Tagen nach dem Absetzen der Medikamente auf, aber Beschwerden können sich schon innerhalb weniger Stunden nach Wegfall der ersten Dosis zeigen.

Behandlung

In den meisten Fällen kommt es zu leichten Symptomen, die keine Behandlung erfordern. Wichtig ist eine ausführliche Aufklärung und Information über den Verlauf eines Absetzsyndroms.

Aufklärung vor Beginn der Behandlung

Personen, die an einer Depression erkrankt sind, haben häufig den Wunsch, ihre Medikamente abzusetzen, sobald sie sich besser fühlen. Dies kann jedoch, wenn es ohne ärztliche Begleitung erfolgt, zu einem frühen Rückfall in die Depression und/oder einem Absetzsyndrom führen. Daher sollten die behandelnden Ärzt*innen zu Beginn einer Therapie mit Antidepressiva darauf hinweisen, die Medikamente nicht zu früh abzusetzen. Es wird empfohlen, die Symptome so lange zu behandeln, bis es zu einer deutlichen Besserung kommt, und dann mindestens noch ein halbes Jahr darüber hinaus.

Wichtig ist, die Medikamente regelmäßig, am besten immer zum gleichen Zeitpunkt einzunehmen. Falls die Dosis reduziert werden soll, ist eine schrittweise Dosisreduktion sinnvoll, immer unter ärztlicher Begleitung.

Absetzen von Antidepressiva

Antidepressiva sollten nicht schlagartig abgesetzt, sondern schrittweise „ausgeschlichen“ werden. Um eine wiederkehrende Depression oder ein Absetzsyndrom zu vermeiden, sollte das Ausschleichen schrittweise über mindestens 8–12 Wochen erfolgen. Besprechen Sie jede Änderung der Dosis immer mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.

Tritt ein Absetzsyndrom auf, sollten die Patient*innen darüber informiert werden, dass es sich in der Regel um einen vorübergehenden und nicht gefährlichen oder lebensbedrohlichen Zustand handelt, der ca. 2 Wochen anhalten kann.

Prognose

Das Absetzsyndrom tritt meist innerhalb der ersten Woche nach Absetzen des Antidepressivums auf. Die Symptome sind meist mild und gehen in aller Regel innerhalb von 2–6 Wochen von selbst zurück.

Weitere Informationen

Autorin

  • Catrin Grimm, Ärztin in Weiterbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Klingenberg a. M.

 

Quellen

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Antidepressiva-Absetzsyndrom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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