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Was ändert sich mit der neuen NVL Unipolare Depression?

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Ende September wurde die aktuelle Version der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Unipolare Depression  veröffentlicht. Wir haben sie in unseren Artikeln Depression, Depressive Verstimmung, Depression im Alter, Depressive Störungen bei Kindern und Jugendlichen, Suizid und Suizidversuch sowie Antidepressiva-Absetzsyndrom berücksichtigt. 

In der neuen Version der NVL werden Behandlungsempfehlungen deutlicher vom Schweregrad der Depression abhängig gemacht. Bei einer ersten leichten depressiven Episode liegt der Schwerpunkt auf niederschwelligen Interventionen. Antidepressiva sollten in der Regel nicht zur Erstbehandlung eingesetzt werden. Nur nach sorgfältiger Indikationsstellung und im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts können unter bestimmten Voraussetzungen Antidepressiva angeboten werden: z. B. bei früherem gutem Ansprechen oder Risiko für eine Verschlechterung. Zur medikamentösen Therapie kann ein erster Therapieversuch mit Johanniskrautpräparat angeboten werden. Eine Psychotherapie soll ebenfalls nur unter bestimmten Voraussetzungen, wie früheres gutes Ansprechen oder fehlende Besserung, angeboten werden.

Liegt eine mittelgradige depressive Episode vor, sollen Psychotherapie und/oder Pharmakotherapie gleichwertig angeboten werden. Auch hier besteht eine „Kann“-Empfehlung für einen ersten Therapieversuch mit Johanniskraut. Benzodiazepine oder Z-Substanzen sollten nur in begründeten Einzelfällen angeboten werden. Die Leitlinie gibt eine „Kann“-Empfehlung zur zusätzlichen oder ggf. alternativen Anwendung von „Internet- und mobilgerätebasierte Interventionen“ nach „adäquater Diagnostik, Differentialdiagnostik, Indikationsstellung, Aufklärung und Verordnung“.

Bei einer schweren depressiven Episode soll eine Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie empfohlen werden. Zusätzlich können Benzodiazepine oder Z-Substanzen für eine Dauer von maximal 2–4 Wochen angeboten werden, z. B. bei starken Schlafstörungen. „Internet- und mobilgerätebasierte Interventionen“ können zusätzlich angeboten werden.

Die neue NVL-Version legt besonderen Wert auf Beratung und Schulung von Patient*innen. Psychoedukative Angebote für Betroffene können Informationen über die Erkrankung und ihre Behandlung sowie Hinweise zum Selbstmanagement enthalten. Körperliche Aktivität, ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, Erlernen von Entspannungsverfahren sowie die Wirksamkeit von Licht- oder Schlafentzugstherapie können im Rahmen solcher Maßnahmen besprochen werden.

In unserem Artikel Depression werden auch die detaillierten Empfehlungen zur Verlaufskontrolle unter medikamentöser antidepressiver Therapie aus der NVL dargestellt. Bei Einnahme trizyklischer Antidepressiva unterscheiden sich die Kontrollparameter und Kontrollintervalle von denen unter Einnahme anderer Antidepressiva. Beispielsweise soll laut NVL bei Therapie mit trizyklischen Antidepressiva das Blutbild im ersten Halbjahr monatlich kontrolliert werden und bei Therapie mit anderen Antidepressiva nach 1 Monat und dann halbjährlich. Die NVL enthält noch weitere Neuerungen, wie die starke Empfehlung der Erfassung psychosozialer Kontextfaktoren bei der Diagnostik. Außerdem werden detaillierte Empfehlungen zum Vorgehen bei Nichtansprechen auf Antidepressiva und erstmals auch Empfehlungen zum Nichtansprechen auf Psychotherapie gegeben.

Depression ist die häufigste psychische Erkrankung bei Patient*innen, die in Hausarztpraxen behandelt werden. Besonders die NVL-Empfehlungen zur Behandlung Betroffener mit leichter depressiver Episode, zu niedrigschwelligen Therapien und zur Vernetzung verschiedener Berufsgruppen und deren Behandlungsangebote sind von großer Relevanz für die Versorgung depressiver Patient*innen in der Hausarztpraxis.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

 

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