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Treibhausgase in Dosieraerosolen: Neue DEGAM-S1-Handlungsempfehlung

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Die DEGAM hat eine neue S1-Handlungsempfehlung Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln  herausgegeben. Darin wird ein Problem in Angriff genommen, das vielen Hausärzt*innen gar nicht bewusst ist: die enorme Klimaschädlichkeit der Treibmittel in Dosieraerosolen. Wir haben diese Handlungsempfehlung in unseren Artikeln Asthma, Asthmaanfall bei Erwachsenen mit Akutbehandlung, Asthma bei Kindern und Jugendlichen, Asthmaanfall bei Kindern und Jugendlichen mit Akutbehandlung sowie COPD berücksichtigt.

Dosieraerosole funktionieren mithilfe eines Treibmittels, dass den Wirkstoff freisetzt und in die tiefen Atemwege transportiert. Laut Hintergrundinformation der DEGAM-Handlungsempfehlung werden standardmäßig Flurane als Treibmittel eingesetzt, die ein sehr hohes Schädigungspotenzial für die Atmosphäre haben (global warming potential, GWP). CO2 hat ein GWP von 1. Das in Dosieraerosolen meist verwendete Norfluran hat dagegen ein GWP von 1,430, und das seltener eingesetzte Apafluran liegt bei einem GWP von 3,220. In Deutschland haben Dosieraerosole einen Anteil von 48 % an allen verordneten inhalativen Arzneimittel.

Bei Pulverinhalatoren wird der Wirkstoff durch tiefes Einatmen freigesetzt und verteilt. Sie enthalten kein Treibmittel. Allerdings müssen Patient*innen auch in der Lage sein, tief genug einzuatmen. Pulverinhalatoren werden daher für Kinder unter 5 Jahren, geriatrische Patient*innen und bei akuten Exazerbationen nicht empfohlen. Eine Umstellung auf die klimafreundlicheren Pulverinhalatoren ist aber bei vielen Betroffenen problemlos möglich. Die Verwendung von Pulverinhalatoren ist bei Kindern ab 5 Jahren und bei Erwachsenen mit stabilem Asthma genauso wirksam wie ein Dosieraerosol mit Spacer. Die DEGAM-Handlungsempfehlung bietet Hilfe bei der Entscheidung zwischen der Verordnung von Dosieraerosolen und der von Pulverinhalatoren und fasst hierfür auch Empfehlungen anderer Leitlinien, z. B. der NVL Asthma , zusammen:

Bei Kindern unter 5 Jahren sollen für die Inhalation von Beta-2-Sympathomimetika oder Kortikosteroiden Dosieraerosole mit Spacer bevorzugt werden. Bei einem leichten bis mittelschweren Asthmaanfall sollten Kinder und Erwachsene mit einem Dosieraerosol mit Spacer behandelt werden. Die Empfehlung, ein Dosieraerosol zu verwenden, gilt nach Ansicht der Autoren der Handlungsempfehlung auch für Exazerbationen einer COPD.

Bei der Verschreibung sollten Unterschiede im GWP (global warming potential) der einzelnen Dosieraerosole berücksichtigt und bei vergleichbarer Wirksamkeit Produkte mit möglichst niedrigem GWP verordnet werden. Dabei sind Dosieraerosole mit dem Treibmittel Norfluran und einer Zählfunktion zu bevorzugen. Wenn möglich sollte ein Dosieraerosol mit Apafluran als Treibmittel vermieden werden. Die Handlungsempfehlung der DEGAM bietet hierzu eine Produktübersicht .

In Deutschland verursacht das Gesundheitswesen ca. 5 % der CO2-Emissionen. Bereits im Thema der Woche 2021-W39 Klimafreundliche Hausarztpraxis habe ich zahlreiche Möglichkeiten zur CO2-Einsparung im hausärztlichen Praxisalltag aufgezeigt. Eine Umstellung von einem Dosieraerosol auf einen Pulverinhalator ist hier ebenfalls keine akademische Frage. Im Gegenteil: Sie bewirkt eine Einsparung von 455 kg CO2 pro Jahr. Das ist mehr, als die Umstellung der Ernährung von Mischkost auf vegetarische Kost (440 kg/Jahr), der Verzicht auf eine 1.000 km lange Autofahrt (200 kg) oder das Pflanzen einer Buche (12,5 kg/Jahr) bewirken können. Zur weiteren Information über Klimaschutz im Gesundheitssektor möchte ich noch einmal auf die Seiten der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit KLUG  verweisen.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

 

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