Zum Hauptinhalt springen

Wie umgehen mit Wunsch nach Sterbe- oder Suizidbeihilfe?

Veröffentlicht:


Betreuung von Patient*innen an ihrem Lebensende ist eine wichtige hausärztliche Aufgabe. Unsere Artikel Therapiebegrenzung und Behandlung am Lebensende behandeln das Zulassen des Sterbens und palliative Maßnahmen mit dem Ziel, Leiden zu lindern. Aktive Sterbehilfe wird in Deutschland als Tötungsdelikt angesehen und strafrechtlich verfolgt. Beihilfe zum Suizid, bzw. assistierter Suizid, ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 nicht mehr grundsätzlich verboten. Derzeit wird im Deutschen Bundestag eine gesetzliche Neuregelung der Suizidbeihilfe erarbeitet. Auf Anregung eines Lesers haben wir deshalb einen neuen Artikel Sterbe- und Suizidbeihilfe erstellt, der die unterschiedlichen Aspekte dieses Themas beleuchtet.

Im Bundestag soll über drei fraktionsübergreifende Gesetzesentwürfe zur Suizidbeihilfe abgestimmt werden, die unterschiedliche Lösungsvorschläge für folgende ungeklärte Fragen enthalten: Wie kann sichergestellt werden, dass Personen mit Suizidwusch selbstbestimmt entscheiden? Gerade bei alten Menschen, insbesondere Männern, ist das Suizidrisiko besonders hoch. Ältere und multimorbide Menschen können einen Suizidwunsch äußern, weil sie anderen nicht zur Last fallen wollen. Wie kann hier das Recht auf selbstbestimmtes Sterben mit Suizidprävention in Einklang gebracht werden? Dieselben Bedenken gelten auch für Personen mit schweren psychischen Erkrankungen. Wer entscheidet, ob dem Suizidwunsch entsprochen werden soll? Psychiater*innen, Psycholog*innen, Palliativmediziner*innen und/oder Hausärzt*innen? Sollen Beratungsstellen oder eine andere Infrastruktur zur Unterstützung etabliert werden? Welche Fristen zwischen Antrag auf Suizidbeihilfe, Bewilligung derselben und Durchführung des Suizids sollen eingehalten werden? Welche Medikamente sollen bewilligt werden?

Was kommt da auf uns zu? Kann es sein, dass Ärzt*innen dazu verpflichtet werden, an einem assistierten Suizid mitzuwirken? Vom 124. Ärztetag  im Mai 2021 wurde beschlossen, das Verbot der Suizidbeihilfe aus der Musterberufsordnung zu streichen, und betont, dass Suizidbeihilfe aber weiterhin nicht als ärztliche Aufgabe anzusehen sei. Eine Verpflichtung zur Mitwirkung wurde ebenfalls klar abgelehnt. Auch die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN ) sieht Beihilfe zur Selbsttötung nicht als ärztliche Aufgabe an und fordert, den Schwerpunkt auf Suizidprävention zu legen.

In unserem neuen Artikel geben wir Empfehlungen zum Umgang mit Patient*innen, die einen Todeswunsch äußern. Im Gespräch sollte geklärt werden, worauf dieser basiert, und unterschieden werden zwischen Akzeptanz eines baldigen Todes bei schwerer Krankheit, Hoffen auf einen baldigen Beginn des Sterbeprozesses oder einer akuten, bewusst geplanten Suizidalität. Bei Suizidalität im Rahmen einer schweren körperlichen Erkrankung kommt eine psychoonkologische und/oder palliativmedizinische Mitbetreuung in Betracht. Liegt die Suizidalität im Rahmen einer schweren psychischen Erkrankung vor, kann je nach Situation eine Überweisung an eine psychiatrische Praxis, eine freiwillige Klinikeinweisung oder eine Unterbringung erforderlich sein. Für Therapien am Lebensende gilt, dass der Sterbevorgang nicht künstlich verlängert werden soll und der Wille der Betroffenen an erster Stelle steht.

Grundsätzlich sollen in der Beratung Alternativen aufgezeigt und ausgelotet werden. Alle Möglichkeiten der Palliativversorgung sollen ausgeschöpft werden. Dabei steht die Lebensqualität der Betroffenen im Vordergrund. Konkrete Ursachen für Angst, Verzweiflung, das Gefühl der Ausweglosigkeit sowie unerfüllte Bedürfnisse sollen dabei angesprochen und gemeinsam mit Betroffenen und Angehörigen Lösungen gesucht werden. So soll nicht nur eine bestmögliche Symptomkontrolle gewährleistet sein, sondern beispielsweise auch versucht werden, soziale Teilhabe, einen kurzen Ausflug in die Natur oder zusätzliche körperliche Bewegung zu ermöglichen. Wir sollten jedenfalls alles dagegen unternehmen, dass behebbare äußere Umstände, wie mangelhafte pflegerische Versorgung, unzureichend behandelte Schmerzen oder fehlender vertrauensvoller Austausch mit anderen Menschen bei alten und/oder kranken Menschen zu einem konkreten Todeswunsch führen, dem dann womöglich nach neuer Gesetzeslage entsprochen würde.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

 

Frühere Themen: