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Klimaanpassung: Lernen von Österreich?

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An dieser Stelle habe ich noch nie von einem Urlaub berichtet und werde es voraussichtlich auch nicht wieder tun. Aber als ich vor 10 Tagen auf einem Kurzurlaub in Wien war, habe ich so erstaunlich viele gute und funktionierende Klimaanpassungsmaßnahmen gesehen, dass ich Ihnen davon berichten möchte. Die Stadt Wien investiert sehr viel Geld, um eine „lebenswerte Klimamusterstadt “ zu werden und stellenweise ist das schon sehr gelungen. Warum das Thema Klimaanpassung relevant ist, können Sie beispielsweise dem Thema der Woche 2021-W30 Was bedeutet eigentlich Klimaanpassung? entnehmen.

Besonders beeindruckt haben mich die an zahlreichen Bus- oder Tramhaltestellen aufgestellten temperaturgesteuerten Nebelduschen, die durch einen kalten Sprühnebel für rasche Abkühlung von Passant*innen sorgen, ohne dass deren Kleidung völlig durchnässt wird. An manchen Nebelduschen sind auch Trinkwasserspender angebracht. Zahlreiche Brunnen und Wasserspiele sorgen ebenfalls für Abkühlung. Aufgefallen sind mir auch mobile Trinkwasserbrunnen an den Straßen und kostenlose Trinkwasserspender in einigen Gastronomiebetrieben. Für Einheimische und Tourist*innen gibt es die App „Cooles Wien“ , mit der Hitzegeplagte zu kühlen Orten geleitet werden.

An vielen Haltestellen oder anderen Aufenthaltsbereichen in Wien stehen große mobile Pflanzkästen (Module) mit jungen Bäumen, deren Krone durch ein Pflanzgitter so in die Breite gelenkt wird, dass möglichst viel Schatten entsteht. An anderen Haltestellen sind Drähte als Rankhilfe gespannt, auf denen schnell wachsende Kletterpflanzen ein effektives Schattendach bildeten, sodass Wartende von der prallen Sonne geschützt sind. Außerdem wird in Wien die Fassadenbegrünung durch Kletterpflanzen offensichtlich stark gefördert.

Beim Spaziergang durch das Stadtviertel Neubau fiel mir auf, dass in den Straßenzügen mit Gründerzeithäusern zahlreiche neue Bäume gepflanzt wurden, auch wenn dadurch ein vermutlich denkmalgeschütztes Straßenbild verändert wurde. Bäume bieten nicht nur Schatten, sondern fördern durch ihre Wurzeln auch das Schwammstadt-Prinzip . Das heißt, durch die Entsiegelung von Flächen, Anlage einer Schotterschicht unterhalb des Straßenbelags und die Wurzeln von Bäumen kann Regenwasser versickern und gespeichert werden. Außerdem kann das Wasser bei Starkregenereignissen in die Schotterschicht ablaufen, dort gespeichert werden und bei Hitze durch Verdunstung für Kühlung sorgen.

Zusätzlich stellt die Stadt Wien ihren Einwohner*innen den Wiener Hitze-Ratgeber  zur Verfügung, in dem einzelne Personengruppen (Senior*innen, Schwangere) direkt und fundiert angesprochen und informiert werden und der außerdem weitere gute Hinweise, z. B. zu Notfallmaßnahmen bei Hitzeschäden, Prävention von Insektenstichen und Lagerung von Arznei- und Lebensmitteln, enthält.

Ich frage mich, warum es so etwas noch nicht flächendeckend in Deutschlands Städten gibt. Das kostet Geld, soviel ist klar. Aber viele kleine einfache Maßnahmen können zusammengenommen schon einen großen Effekt haben. Außerdem ist nicht nur der Kampf gegen den Klimawandel essenziell, sondern auch eine Anpassung unserer Lebensweise und unserer Lebensbedingungen an die bereits eingetretenen Änderungen in der Folge des Klimawandels.

Dass Hitzewellen lebensgefährlich sind, habe ich bereits im Thema der Woche 2022-W28 Sommer, Hitze, Sonnenschein – was kann gefährlicher sein? beschrieben. Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes  betätigen die Gefahr: Im Juli 2022 sind 12 % mehr Menschen (9.130 Personen) verstorben als im Mittelwert (Median) desselben Monats der Vorjahre. Die hohe Sterblichkeit fällt zeitlich mit Hitzeperioden zusammen. Klimaschutz und eine effektive Klimaanpassung können vermutlich wirklich viele Menschenleben retten. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf unsere Artikel Erkrankungen als Folge des Klimawandels, Hitzeschäden und Hitzschlag, Akutbehandlung hinweisen.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

 

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