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Meldung von Nebenwirkungen: Ist das wirklich kompliziert?

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Die Diskussionen um Impfungen gegen COVID-19 haben in den letzten Monaten zwar deutlich abgenommen, dennoch hatte ich kürzlich wieder ein Gespräch mit einer Nachbarin, die sagte: „Wir wissen nicht, was die Impfungen mit uns machen. Die Nebenwirkungen der COVID-Impfung werden ja gar nicht erfasst. Das Meldeverfahren ist extra umständlich und kompliziert, so dass keiner etwas meldet. Da steckt eine Absicht dahinter, die Politik will Nebenwirkungen vertuschen.“ Ich habe der Nachbarin versichert, dass bestimmt niemand etwas vertuschen will. Aber ich habe mir noch einmal genauer angesehen, wie die Meldung einer Nebenwirkung an die Arzneimittelkommission (AkdÄ) funktioniert und ob das in irgendeiner Weise kompliziert sein könnte.

Zur Meldung von unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen (UAW) sind Ärzt*innen nach der Berufsordnung  verpflichtet (§6 (Muster-)Berufsordnung). Hierzu kann auf der Seite zur UAW-Meldung der AkdÄ  ein Meldeformular  aufgerufen werden. Dieses kann entweder online ausgefüllt oder ausgedruckt, handschriftlich ausgefüllt und dann per E-Mail, Post oder Fax an die AkdÄ geschickt werden. Technisch sollte der Meldung so eigentlich nichts entgegenstehen. Das Formular selbst sind knapp und übersichtlich, und das Ausfüllen dürfte in wenigen Minuten erledigt sein. Da im Meldeformular nur die Initialen, Geburtsdatum und Geschlecht der betroffenen Patient*innen angegeben werden, bleibt die ärztliche Schweigepflicht gewahrt. Für die Meldung von Nebenwirkungen ist keine Einwilligung der Patient*innen erforderlich. Impfnebenwirkungen müssen nach IfSG noch über ein gesondertes Formular  direkt an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet werden, das könnte zugegebenermaßen als lästige Zusatzaufgabe angesehen werden.

Zur Frage, welche Nebenwirkungen eigentlich gemeldet werden sollen, schreibt die AkdÄ in ihrem Leitfaden Nebenwirkungen melden  und in Arzneiverordnung in der Praxis , dass Ärzt*innen prinzipiell alle Nebenwirkungen melden sollen, die ihnen relevant erscheinen. Meldungen sollten auch erfolgen, wenn nur ein Verdacht auf einen Zusammenhang mit einer Arzneimitteleinnahme und einem Symptom besteht. Besonders wichtig ist die Meldung von Nebenwirkungen, die in der Produktinformation nicht genannt sind. Medikamente, die mit einem schwarzen Dreieck gekennzeichnet sind, stehen unter besonderer Überwachung, entweder weil sie neu zugelassen sind oder Daten zur Langzeitanwendung fehlen. Nebenwirkungen infolge der Einnahme solcher Medikamente erfordern verstärkte Aufmerksamkeit und sollten gemeldet werden.

Die Meldung schwerwiegender, also lebensbedrohlicher oder gar tödlicher, Nebenwirkungen sollte selbstverständlich sein. Stationäre Behandlungen, erhebliche Behinderungen oder kongenitale Anomalien in der Folge einer Medikamenteneinnahme sind ebenfalls schwerwiegende Nebenwirkungen. Außerdem sollen besonders Nebenwirkungen bei Kindern oder im Rahmen eines Off-Label-Use gemeldet werden.

Jede gemeldete UAW wird von der AkdÄ bewertet und ausgewählte Fälle in Konferenzen mit Experten, Behördenvertretern und Giftnotrufzentralen diskutiert. Dies kann zu neuen Risikobewertungsverfahren und/oder neuen Risikoinformationen zu Arzneimitteln führen. Jeder Fall wird an das BfArM bzw. das PEI und an Pharmakovigilanzdatenbanken von EMA und WHO weitergeleitet. Meldende Ärzt*innen erhalten von der AkdÄ ein Antwortschreiben mit Informationen zum gemeldeten Arzneimittel. Manchmal werden von der AkdÄ weitere Informationen angefordert.

Im Zusammenhang mit der Meldung von Arzneimittelnebenwirkungen konnte ich weder besondere Schwierigkeiten noch Hinweise auf eine Verschwörung entdecken. Bestimmt werden nicht alle UAW gemeldet, sei es, weil sie nicht als solche erkannt werden, weil es im allgemeinen Praxistrubel vergessen wird oder weil nicht allen bekannt ist, wie das geht. Wir Ärzt*innen sind jedenfalls zur Meldung verpflichtet und sollten daran denken, dass jede Meldung helfen kann, eine Arzneimitteltherapie oder eine Impfung sicherer für unsere Patient*innen zu machen.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

 

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