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Ist eh schon alles egal? – Rauchende Jugendliche

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Vor einigen Wochen wurde in den Medien berichtet, dass die Zahl Tabak rauchender Jugendlicher im letzten Jahr stark zugenommen hat. Die Berichte basieren auf den Ergebnissen der DEBRA-Studie , die vom BMBF gefördert und vom Schwerpunkt Suchtforschung am Institut für Allgemeinmedizin der HHU Düsseldorf durchgeführt wird. Der Anteil der Tabakrauchenden unter den 14- bis 17-Jährigen ist 2022 von 8,7 % auf 15,9 % angestiegen.

Wohlgemerkt, wir sprechen hier nicht von E-Zigaretten, sondern von Tabak. Der Anteil E-Zigaretten rauchender Jugendlicher ist 2022 ebenfalls angestiegen, nämlich von 0,5 % auf 2,5 %. Er ist aber, anders als gemeinhin angenommen, im Verhältnis zum Tabakkonsum noch recht gering. Etwas mehr als jeder 6. Teenager zwischen 14 und 17 Jahren raucht also Tabak, obwohl der Erwerb und öffentliche Konsum von Tabakprodukten laut Jugendschutzgesetz erst ab einem Alter von 18 Jahren erlaubt sind. Der Tabakkonsum ist 2022 auch in den höheren Altersgruppen gestiegen, aber nicht so stark wie bei den Jugendlichen.

Woran liegt es, dass das jahrelang als ziemlich uncool angesehene Zigarettenrauchen für Jugendliche wieder interessant ist? In Deutschland ist der Einfluss der Tabaklobby im europäischen Vergleich jedenfalls immer noch sehr groß. Spiegel.de  berichtet, dass CDU und FDP sich nach wie vor ihre Parteitage von großen Tabakherstellern finanzieren lassen. Die SPD hörte erst 2019 damit auf, Geld von der Tabaklobby anzunehmen. Die politische Einflussnahme der Tabakhersteller ist sicher einer der Gründe dafür, dass die Tabaksteuer hierzulande sehr niedrig ist. Das führt dazu, dass auch der Preis für Zigaretten niedrig und für Jugendliche erschwinglich ist. Auch dass Außenwerbung für Zigaretten in Deutschland als letztem Land der EU erst Anfang 2022 verboten wurde, kam den Tabakherstellern sehr entgegen. Werbung in Kinos ist weiterhin erlaubt.

Leichte Zugänglichkeit, geringer Preis, Werbung und mangelnde Aufklärung sind Gründe, warum ein gewisser Anteil der Jugendlichen zu Zigaretten greift. Aber warum nimmt der Konsum so stark zu, obwohl allen bewusst ist, dass Zigaretten gesundheitsschädlich sind? Hierzu gibt es verschiedene Erklärungsversuche. Für viele Jugendliche erscheint es sinnlos, auf die eigene Gesundheit zu achten, wenn ihre Zukunftsaussichten angesichts von Klimawandel und Krieg düster aussehen. Außerdem haben junge Menschen durch die Lockdowns in der Pandemie viel Zeit verloren, die sie mit Gleichaltrigen verbringen konnten. Viele möchten diese Zeit nachholen und nach so viel geforderter Vernunft in Sachen Gesundheit einfach mit ihren Freunden zusammen sein und unvernünftige Dinge tun.

Die Tabakindustrie kann sich jedenfalls die Hände reiben. Durch das starke Suchtpotenzial von Nikotin kommen Menschen, die in jungen Jahren mit dem Rauchen anfangen, schlecht wieder davon los. Ein großer Teil der vielen Hunderttausend rauchenden Jugendlichen in Deutschland bleibt den Tabakherstellern als Langzeitkunden erhalten. Denn mit dem Rauchen aufzuhören ist schwer. Von 100 Personen, die es versuchen, sind ca. 10 % mithilfe von Nikotinersatzprodukten (die nicht für Kinder und Jugendliche zugelassen sind) nach 6–12 Monaten immer noch rauchfrei. Die Rückfallquote ist allerdings hoch, oft sind mehrere Versuche notwendig.

Das hat grausame Folgen: Unter jungen Menschen, die mit dem Rauchen begonnen haben und damit fortfahren, stirbt die Hälfte an Erkrankungen, die auf das Rauchen zurückzuführen sind. 1/4 ist betroffen, bevor es das Alter von 70 Jahren erreicht hat. Diese jungen Raucher*innen verlieren im Durchschnitt 23 Jahre ihres Lebens.

Natürlich müssen wir hier auf Aufklärung und Information setzen, z. B. in Schulen. Rauchverbote im öffentlichen Raum, in Schulen und Restaurants, können zu einem Rückgang des Rauchens führen. Die Frage ist, ob so etwas Einfluss auf das neue Rauchverhalten Jugendlicher hat, für die es normal ist, zum Rauchen vor die Tür zu gehen. Das nachgewiesenermaßen wirkungsvollste Instrument zur Tabakregulierung ist der Preis. Erhöhung des Tabakpreises führt zu weniger Konsum. Hier muss die Bundesregierung unbedingt regulierend eingreifen, gegen den Willen der Tabaklobby.

Marlies Karsch (Chefredakteurin)

 

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