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Die PRISCUS-Liste 2.0

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Viele Wirkstoffe sind für ältere Menschen ab 65 Jahren aufgrund der veränderten Pharmakokinetik und -dynamik im Alter nicht oder nicht gut geeignet. Es kann verstärkt zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen kommen, wie beispielsweise Sturzneigung oder Verwirrtheit. Diese für ältere Menschen problematischen Wirkstoffe werden als potenziell inadäquate Medikation (PIM) bezeichnet und seit 2010 unter anderem in der PRISCUS-Liste zusammengefasst. In der neuen PRISCUS-Liste 2.0  werden im Vergleich zur Vorversion von 2010 nun mehr als doppelt so viele Wirkstoffe (187) als (PIM) bewertet.

Seit der Veröffentlichung der letzten PRISCUS-Liste 2010 wurden zahlreiche Wirkstoffe neu eingeschätzt. Beispielsweise wurden DOAKs 2010 noch gar nicht beurteilt. Bei PRISCUS 2.0 sind sie nun als Nicht-PIM bewertet. Nur Dagibatran gilt als fragliches PIM. Neben dem größeren Umfang gibt es weiter Neuerungen in PRISCUS 2.0., die für die Praxis relevant sind.

Wie aus der tabellarischen Kurzversion  ersichtlich, sind nun nicht nur Wirkstoffklassen, sondern Einzelwirkstoffe mit entsprechenden Therapiealternativen dargestellt. So werden die oralen Antidiabetika Glibenclamid, Glimepirid und Acarbose als PIM eingestuft und als Alternativen Metformin oder DPP-4-Inhibitoren genannt. Anstelle von Tramadol sollte bei älteren Personen Tilidin bevorzugt werden. Trizyklische Antidepressiva und Johanniskraut werden als PIM bewertet. Citalopram und Mirtazapin sind stattdessen zu bevorzugen. Auch Benzodiazepine und Z-Substanzen stellen eine potenziell inadäquate Medikation im Alter dar. Alternativ werden Mirtazapin, Melatonin und Baldrian genannt.

Neu ist, dass manche Wirkstoffe nicht generell als PIM eingestuft werden, sondern in bestimmten Dosierungen, unter Einhaltung einer gewissen Anwendungsdauer, bei topischer Anwendung oder in Kombination mit einem anderen Wirkstoff nicht als PIM anzusehen sind. Das gilt beispielsweise für Spironolacton, das erst ab einer Dosierung von > 25 mg pro Tag als PIM bewertet wird. Protonenpumpenhemmer werden erst bei einer Einnahme über mehr als 8 Wochen zu PIM, Risperidon bei einer Einnahme über mehr als 6 Wochen und Loperamid bei einer Einnahme über mehr als 3 Tage.

Ibuprofen und Naproxen werden unter folgenden Bedingungen als Nicht-PIM eingestuft: Dosierung bis maximal 3 x 400 mg/d bzw. 2 x 250 mg/d, Anwendung ohne Protonenpumpenhemmer nicht länger als 1 Woche und mit Protonenpumpenhemmer nicht länger als 8 Wochen. Andere NSAR, wie Diclofenac, werden bei systemischer Verabreichung als PIM eingestuft und stattdessen eine topische Anwendung oder alternativ Paracetamol empfohlen. Die meisten Antipsychotika werden als PIM angesehen, aber Melperon und Pipamperon sind bei einer Einnahmedauer von maximal 6 Wochen und in einer Dosierung < 100 bzw. 120 mg/d keine PIM.

Besonders wichtig zu wissen ist natürlich auch, welche Wirkstoffe ausdrücklich als Nicht-PIM bewertet sind. Das sind unter anderem die Antikoagulanzien Marcumar, Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban, die Analgetika Metamizol und Paracetamol, die Antihistaminika Loratadin und Cetirizin, das Antiepileptikum Gabapentin, das Antipsychotikum Risperidon, die Antidepressiva Setralin, Mirtazapin, Eszitalopram und Citalopram, das Herzinsuffizienz-Medikament mit Valsartan und Sacubitril sowie das Antidementivum Memantin.

Zum Nachschlagen in der Praxis für eine sichere Arzneimitteltherapie für ältere Patient*innen, empfiehlt es sich, die Kurzversion der PRISCUS-Liste  aufs Handy zu laden. Die PRISCUS-Liste soll aber nicht als Negativliste angesehen werden. Bei jeder Verordnung ist eine individuelle Abwägung erforderlich. Da die Medikamentenauswahl für die Liste auf Verordnungsdaten der GKV beruht, sind nicht verordnungspflichtige oder -fähige Wirkstoffe unberücksichtigt. Für weiterführende und genauere Informationen zu fast allen der in Deximed-Artikeln genannten Wirkstoffen können Sie die Verlinkung zur atd Arzneimitteldatenbank  des arznei-telegramms  nutzen. Falls Sie hierfür kein Abonnement haben, empfehlen wir Ihnen, vom Angebot eines dreimonatigen kostenlosen Probezugangs  Gebrauch zu machen.

Marlies Karsch (Chefredakteurin)

 

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