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Thema Cholesterinsenkung: Selbst denken oder ChatGPT denken lassen?

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Alle reden von ChatGPT . Viele haben Probetexte zu bestimmten Fragen erstellen lassen und zeigen die oft etwas aufgeblähten, inhaltsleeren, aber auch teilweise ganz lustigen, Texte herum. Manche meinen, einfache und unwichtige Mails oder Hausaufgaben für die Schule lassen sich damit erstellen. Ich finde, der nichtssagende oberflächliche Sprachduktus ist zu leicht zu erkennen und die Textinhalte genauso banal, als hätte sie ein Mensch geschrieben, der nicht zu tief in ein Thema einsteigen will.

Allerdings ist es manchmal schon etwas stressig, jede Woche ein Editorial für Deximed zu schreiben und hierfür ein geeignetes Thema zu finden. Deshalb wollte ich mal sehen, was ChatGPT für mich tun kann. Die Idee war, mir ein Textgerüst erstellen zu lassen, das ich dann mit eigenen Worten noch etwas ausschmücken kann.

Ich stellte also die Aufgabe: „Text zu einem aktuellen Gesundheitsthema mit 500 Zeichen“. Als Ergebnis erhielt ich einen Text über die Covid-19-Pandemie mit wenig aussagekräftigem, allgemein bekanntem Inhalt. Die Covid-19-Pandemie ist immer noch ein aktuelles Thema? Na klar, wenn man bedenkt, dass ChatGPT auf Inhalte zurückgreift, die bis 2021 im Netz kursierten, ist das für ChatGPT ein aktuelles Thema. ChatGPT hat offenbar nicht mitbekommen, dass die Pandemie vorbei ist.

Dann habe ich mir ein konkretes Thema überlegt. Die AkdÄ hat vor einigen Wochen einen Leitfaden „Medikamentöse Cholesterinsenkung zur Vorbeugung kardiovaskulärer Ereignisse“  herausgegeben. Wir haben diesen Leitfaden in unserem Artikel Hyperlipidämie berücksichtigt. Hierzu wollte ich sowieso ein Thema der Woche machen. Mir ist klar, dass ChatGPT den AkdÄ-Leitfaden von 2023 nicht kennen kann, aber die Empfehlungen des Leitfadens gleichen dem, was die DEGAM seit Jahren in ihren Leitlinien und Leitlinienbeteiligungen empfiehlt.

Deswegen habe ich noch einmal ChatGPT mit dieser Frage bemüht: „Was empfiehlt die DEGAM zur Treat-to-Target-Strategie bei der Lipidsenkung? 500 Zeichen“. Das war das Resultat: „Die DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin) empfiehlt bei der Lipidsenkung eine Treat-to-Target-Strategie. Das bedeutet, dass das Behandlungsziel individuell festgelegt und durch regelmäßige Kontrollen überwacht wird, um eine optimale Behandlung zu erreichen. Das Ziel ist es, den Cholesterinspiegel im Blut auf einen bestimmten Zielwert zu senken und dadurch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren. Der Zielwert wird dabei individuell festgelegt und richtet sich unter anderem nach dem Alter, Geschlecht und anderen Erkrankungen des Patienten. [...].“

Das ist so falsch, dass es fast schon witzig ist, aber nur fast. ChatGPT kann offenbar negative und positive Aussagen nicht gut unterscheiden und übersieht das kleine Wörtchen „nicht“. Die Folge ist ein sachlich falscher, irreführender Text, der je nachdem, wer das liest, Konsequenzen für Patient*innen haben kann.

Um es also richtigzustellen: Die DEGAM sieht, ebenso wie die Autor*innen des AkdÄ-Leitfadens, keinen Vorteil in der Treat-to-Target-Strategie in der Primärprävention oder bei manifester KHK. Damit ist die Cholesterinsenkung mit Anpassung der Statindosis bis zum Erreichen eines LDL-Zielwerts gemeint. Der LDL-Wert muss dafür regelmäßig kontrolliert werden. Die DEGAM empfiehlt, z. B. in der Leitlinie Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskularen Prävention , eine Statintherapie in Fixdosis ohne weitere Kontrollen des LDL-Wertes. Dies wird als Fire-and-Forget-Strategie bezeichnet. Laut den Autor*innen des AkdÄ-Leitfadens und des arznei-telegramms  bringt auch eine Statin-Hochdosis-Therapie nur einen sehr begrenzten Nutzen für Patient*innen.

ChatGPT ist also nicht besser oder „intelligenter“ als ein schlampiger Mensch, der Inhalte aus dem Internet unkritisch übernimmt und verbreitet. Wer Angst hat, dass eine KI uns demnächst ersetzen wird, kann zumindest vorerst beruhigt sein. Wer befürchtet, dass durch KI Meinungen, falsche Inhalte und Gerüchte noch schneller verbreitet werden als bisher, hat vermutlich recht.

Marlies Karsch (Chefredakteurin)

 

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