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Hausärzt*innenverband?

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Letzte Woche gab der Deutsche Hausärzteverband laut aerzteblatt.de  seine Namensänderung bekannt. Der Deutsche Hausärzteverband  heißt nun Hausärztinnen- und Hausärzteverband. Das ist äußerst begrüßenswert und im Jahr 2023 auch wirklich überfällig. Wie bereits im Thema der Woche 2023-W09 beschrieben, liegt der Anteil der Ärztinnen im niedergelassenen Bereich bei über 50 %. Es wird Zeit, dass das auch in allen Köpfen ankommt.

Dass das Publikationsorgan des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands immer noch „Der Hausarzt “ heißt, ist allerdings ein Zeichen dafür, dass in Sachen Geschlechtergerechtigkeit noch weiterhin Nachholbedarf besteht. Darf ich einen Vorschlag machen? „Die hausärztliche Praxis“ wäre doch ein guter, Sexismus-freier Titel, oder?

Wie sieht es denn bei Deximed mit der Gendergerechtigkeit aus? Wir haben im Sommer 2020 das Gendersternchen in unseren Artikeln eingeführt. Hintergrund war, dass wir alle unsere Leser*innen ansprechen wollten und sich niemand nur „mitgemeint" fühlen sollte. Wir haben uns für das „*“ entschieden, weil es, im Gegensatz zu „:“, „_“ oder Binnen-I, auch Transpersonen und nicht binäre Personen miteinschließt.

Im Vorfeld unserer Entscheidung gab es wiederholt berechtigte Kritik von fast ausschließlich weiblichen Leserinnen, weil unsere Texte nicht gegendert waren. Uns ist klar, dass das Gendersternchen von vielen Menschen abgelehnt wird, weil es beim Lesen ungewohnt ist. Wir bemühen uns daher, die Zahl der Sternchen im Text möglichst gering zu halten und verwenden oft Alternativbegriffe, wie z. B. „Erkrankte“ oder „Betroffene“ statt „Patient*innen“. Das Fazit nach zwei Jahren Gendersternchen bei Deximed ist für uns, dass es durch die Nutzung des „*“ für unsere redaktionelle Arbeit einfacher geworden ist, alle unsere Leser*innen anzusprechen und niemanden zu übergehen. Wir sehen das Gendersternchen daher auch als einfache inklusive Abkürzung: „Ärzt*innen“ steht für „Ärztinnen und Ärzte sowie diverse ärztlich tätige Personen“.

Die erwartete massive Kritik von Ihrer Seite blieb aus. Es gab drei relativ differenzierte Anfragen von männlichen Lesern, die eine Grundsatzdiskussion zum Thema Gendern mit mir führen wollten und forderten, dass wir alle Sternchen wieder entfernten. Ansonsten bekam ich sehr sporadisch, ausschließlich von Männern, Nachrichten zum Gendersternchen, die eher als Troll-Botschaften einzustufen sind. Die Highlights möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

„Könnten Sie als wissentschaftliches Publikationsorgan das weder durch den Duden noch die Rechtsschreibkommission empfohlene Gendern durch : lassen? Es sexualisiert die Sprache und verletzt meine Gefühle erheblich.“

„[...] Ich fühle mich diskriminiert, Ärzt*Innen, was ist ein Ärzt, da fühle ich mich nicht angesprochen!!! Kolleg*innen, was ist ein Kolleg?!!! Unfassbar!!!“

„Habe nach Ärzt*innen gar nicht mehr weitergelesen. Entsorgen Sie doch Ihren Gendermüll im Papierkorb oder drucken Sie Ihre Gendersterne aufs Klopapier und wischen sich anschließend Ihren Hintern damit ab! Ihr Genderaktivisten seid würdelose Populisten! Deximed.de ist für mich kein Thema mehr.“

In den Medien wird immer wieder gesagt, dass auch Frauen in Umfragen das Gendern ablehnen. Mein Eindruck aus den Leserzuschriften, aber auch aus den Äußerungen in meinem beruflichen und privaten Umfeld, ist, dass die Kritik fast ausschließlich von Männern kommt. Diese sehen die deutsche Sprache in Gefahr und können gar nicht verstehen, dass sich sehr viele Menschen durch das generische Maskulinum nicht angesprochen fühlen, dass viele weibliche Kolleginnen schmerzhafte Erfahrungen mit sexistischer Diskriminierung im Berufsleben gemacht haben und dass ihre eigenen, männlichen Privilegien sie vor eben diesen Diskriminierungserfahrungen geschützt haben.

Privilegien werden meist nur von denjenigen wahrgenommen, die sie nicht haben. Deswegen weisen die meisten Männer die Annahme energisch von sich, dass sie es aufgrund ihrer Privilegien als Mann im Berufs- und Privatleben deutlich leichter haben als alle anderen. Für viele Männer ist es lästig, sich mit dem Gendersternchen zu arrangieren, für die bisher nicht nur in der Sprache benachteiligten Personen wäre es ein Zeichen des Respekts. Es gibt sicher unterschiedliche Wege, allen gerecht zu werden. Gendergerechte Sprache ist einer davon. Uns ist klar, dass das Gendersternchen keine perfekte Lösung ist, aber die beste, die uns derzeit für unsere Arbeit zur Verfügung steht. Bis auf Weiteres brauchen wir alle dasselbe: Toleranz und Geduld.

Marlies Karsch (Chefredakteurin)

 

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