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Diskussionen über die Cannabis-Legalisierung

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Die Bundesregierung verspricht sich von einer Cannabis-Legalisierung unter anderem eine bessere Qualitätskontrolle bei Cannabisprodukten, Schutz von Kindern und Jugendlichen und Übernahme des Schwarzmarkts durch einen legalen, geregelten Markt. Wir haben bei Deximed einen Artikel zum Thema Cannabis-Konsum: Cannabisabhängigkeit. Im Moment warten wir gespannt auf die Entwicklungen, um diesen Artikel dann entsprechend anzupassen.

Die Diskussion um die Legalisierung ist kontrovers. Aktuell fühlen sich Gegner*innen einer Legalisierung durch die Ergebnisse einer Untersuchung des Instituts für interdisziplinären Sucht- und Drogenforschung  von April dieses Jahres bestätigt. Laut aerzteblatt.de  zieht der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Klaus Reinhardt aus den Studienergebnissen folgende Schlüsse: „Die Legalisierung führt zur Verharmlosung einer Droge, die nachgewiesenermaßen abhängig macht und zu schweren Entwicklungsschäden gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen führen kann.“ Von einer Austrocknung des Schwarzmarktes könne keine Rede sein, und die Studie warne davor, dass „profitorientierte Unternehmen [...] auch auf die Erschließung neuer Gruppen von Konsumierenden abzielen.“

Aus fachlicher und privater Neugier als Mutter von zwei Töchtern im Teenageralter habe ich mir diese Studie einmal genauer angesehen. Sie betrachtet und analysiert die Entwicklungen in Canada, Uruguay, mehreren US-Bundesstaaten, der Schweiz und den Niederlanden nach der Cannabis-Legalisierung dort. Ihre Ergebnisse basieren auf einem Literatur-Review mit zusätzlicher Expertenbefragung.

Die Zahl der erwachsenen Cannabis-Konsumenten hat in diesen Ländern nach der Legalisierung leicht zugenommen, wohl aber nicht der individuelle Konsum. Cannabis wird für Jugendliche leichter zugänglich, und die Wahrscheinlichkeit, mit dem Konsum von Cannabis zu beginnen, steigt. Aber auch bei Jugendlichen steigt der individuelle Konsum nach einer Legalisierung wohl nicht an. Es gibt sogar Daten, die zeigen, dass der individuelle Konsum abnimmt. Das ist ein wichtiger Aspekt, wenn man bedenkt, dass gerade der Konsum bei Minderjährigen mit erhöhten gesundheitlichen und sozialen Risiken einhergeht.

Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass in den betreffenden US-Bundesstaten und Canada die Rate akuter Intoxikationen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nach der Legalisierung gestiegen ist. Die Daten zur Rate der Behandlung anderer Cannabis-bezogener Störungen bei Jugendlichen sind uneindeutig. In den USA kam es zu einer Zunahme, in Canada nicht. Kurzfristig hatte die Legalisierung in Canada und den USA keine Auswirkung auf die Inzidenz von Psychosen und Schizophrenie bei Erwachsenen. Langzeitdaten und ausreichende Daten zu Jugendlichen fehlen.

Die identifizierten Studien stimmen größtenteils darin überein, dass der illegale Markt durch die Legalisierung von Cannabis mit der Zeit erfolgreich reduziert werden kann. Hierzu ist es wichtig, dass der legale Markt möglichst schnell wächst. Die Cannabis-bezogene Kriminalitätsrate nimmt natürlich ab, wenn Konsum und Besitz nicht mehr geahndet werden.

Die Studienautor*innen geben einige Empfehlungen für eine erfolgreiche Cannabis-Legalisierung in Deutschland, z. B. restriktive Regelungen für Marketing und Händlerlizenzen. Sie warnen davor, die Fehler bei der gesetzlichen Regulation von Alkohol- und Tabakkonsum zu wiederholen. Hier möchte ich die sehr zögerliche Abschaffung von Tabakwerbung erwähnen oder die Gestattung von Alkoholkonsum in Begleitung Personensorgeberechtigter schon ab 14 (!) Jahren laut Jugendschutzgesetz. Die Autor*innen empfehlen, die Daten der Studie in jedem Fall mit denen zu vergleichen, die in Bezug auf Alkohol erhoben wurden. Außerdem geben sie zu bedenken, dass der in den letzten Jahren steigende Cannabis-Konsum in Deutschland durch die derzeitige Verbotspolitik nicht verhindert wird. Sie kommen zu dem Schluss, dass aus den nordamerikanischen Daten entsprechend gelernt werden kann, so dass es möglich ist, Cannabis in Deutschland zu legalisieren und die Gesundheit der Allgemeinbevölkerung zu schützen.

Ich verstehe die Studienergebnisse und die Schlussfolgerungen der Autor*innen anders als der BÄK-Präsident. Sie relativieren auch einige Befürchtungen und sprechen sich für eine Legalisierung mit Besonnenheit aus. Die Überlegungen zu diesem Thema kann ich nachvollziehen und die Studienergebnisse überzeugen mich auch. Vieles bleibt aber unsicher oder ist nicht ausreichend erforscht. Ich bin einfach nur froh, dass meine Töchter Alkohol und Cannabis (noch) gleichermaßen uncool finden.

Marlies Karsch (Chefredakteurin)

 

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