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Interview mit Frau Dr. Katharina Thiede von KLUG (Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit)

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Marlies Karsch: Können Sie KLUG bitte kurz vorstellen?

Dr. Katharina Thiede: KLUG wurde 2017 als Netzwerk von Einzelpersonen gegründet. Inzwischen sind auch zahlreiche Organisationen aus dem Gesundheitsbereich Mitglied. Unsere Arbeitsweise ist sehr dynamisch und erstreckt sich auf viele verschiedene Handlungsfelder. Zwei wichtige Aspekte sind die Transformation des Gesundheitswesens selbst hin zu Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Resilienz sowie die Initiierung breiterer gesellschaftlicher Transformation durch das Engagement der Gesundheitsberufe und gesundheitsbezogene Argumentationslinien. Zweites Feld ist die Bildungs- und Aufklärungsarbeit zu den gesundheitlichen Folgen von Klimakrise, Nutzung fossiler Energien und Biodiversitätsverlusten, den gesundheitlichen Chancen planetarer Gesundheit und der Notwendigkeit von Adaptationsprozessen unter gesundheitlichen Aspekten, aber auch deren Grenzen.

MK: Welche Ziele hat KLUG schon erreicht?

KT: Die Erfolge sind nicht nur KLUG zuzuschreiben, weil wir an vielen Stellen mit anderen Akteur*innen gut zusammenarbeiten. Insgesamt können wir feststellen, dass die Klimakrise inzwischen in einer viel breiteren Öffentlichkeit als große Gesundheitsgefahr erkannt worden ist. Viele Organisationen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen haben sich auf den Weg gemacht, um in ihrem Wirkungsbereich Menschen zu informieren und selbst nachhaltiger und klimaresilienter zu arbeiten. Es werden immer mehr, und wenn sich vor einigen Jahren vielerorts nur Einzelpersonen mit Klima- und Nachhaltigkeitsfragen befasst haben, stehen diese Themen nunmehr mit großer Selbstverständlichkeit auf der Agenda von Deutschem Pflegerat, Bundesärztekammer, Berufsverbänden, Fachgesellschaften und Kammern sowie vielen anderen Institutionen. Auch politisch Verantwortliche auf kommunaler Ebene, in den Ländern, aber auch in einigen Bundesministerien, nehmen die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise inzwischen sehr ernst und kommen ins Handeln.

MK: Welche gesundheitlichen Aspekte im Zusammenhang mit dem Klimawandel sind aus Ihrer Sicht besonders dringlich?

KT: Ganz absehbar stellt für die meisten Menschen in Deutschland und Europa Hitze die größte Gesundheitsgefahr dar. Wichtig ist aber auch, dass wir die indirekten Folgen mehr in den Blick nehmen. Hitze, Luftverschmutzung und die Zunahme von Infektionskrankheiten verschlechtern vorbestehende chronische Erkrankungen – chronische Erkrankungen steigern die Vulnerabilität für die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise. Gleichzeitig sind wir mit demographischem Wandel und Fachkräftemangel konfrontiert; die Arbeitsbelastung steigt in mehrfacher Hinsicht: höhere Krankheitslast, weniger Kolleg*innen und Produktivitätsverluste durch Hitze und eigene gesundheitliche Einschränkungen. Das Gesundheitssystem als Ganzes, zahlreiche Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, aber auch die Mitarbeitenden selbst werden massiv gefordert und, wenn wir nicht entschlossen gegensteuern, auch überfordert. Das verschlechtert dann auch die Behandlung anderer Erkrankungen.

MK: Welche wichtigen gesundheitlichen Folgen des Klimawandels werden zu wenig beachtet und sollten stärker in den Vordergrund gerückt werden?

KT: Psychische Erkrankungen werden auch im Kontext der Klimakrise aus meiner Sicht noch nicht so ernst genommen, wie sie es sollten. Zum anderen ergreifen wir noch bei weitem nicht entschlossen genug Maßnahmen gegen die Gesundheitsgefahren, die durch die Nutzung fossiler Energien entstehen. Dabei würden wir durch eine geringere Luftverschmutzung viel für Gesundheit und Lebensqualität erreichen können.

MK: Welche Folgen des Klimawandels betreffen die hausärztliche Versorgung besonders?

KT: Die Begleitung von Risikopatient*innen durch Hitzewellen hat einen großen Stellenwert. Wir sehen aber auch, dass Allergien zunehmen. Aus meiner Sicht ist zudem Prävention zentral. Nicht nur weil die sog. Co-Benefits einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des CO2-Fußabdruckes leisten können, sondern auch, weil wir unbedingt die gesellschaftliche Vulnerabilität durch mehr Gesundheit verringern sollten.

MK: Welche Botschaft(en)/Empfehlungen für die Hausarztpraxis hat der Hitzeaktionstag von Bundesärztekammer und KLUG am 14.06.2023 ergeben?

KT: Die zentrale Botschaft ist sicherlich, dass wir bisher in Sachen Hitzeschutz unserer Verantwortung als Gesellschaft und Gesundheitsberufe bei weitem nicht ausreichend gerecht werden. Hier liegt eine konkrete Gesundheitsgefahr vor uns, vor der wir unsere Patient*innen schützen und zu der wir sie aufklären müssen. Es braucht auf allen Ebenen wirksame Hitzeschutzpläne, die dann auch tatsächlich umgesetzt werden, und eine gute Zusammenarbeit aller Akteur*innen. Trotz der bestehenden Hürden kann aber jede*r im eigenen Verantwortungsbereich aktiv werden – einiges ist ohne große Investitionen bereits machbar.
Und: der beste Hitzeschutz ist Klimaschutz!

MK: Frau Dr. Thiede, ich danke Ihnen für die Teilnahme an diesem Interview.

 

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