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Small-Talk-Thema Nagelpilz

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Sie kennen das sicher auch: Auf privaten Festen, bei Familientreffen und generell im Rahmen von allgemeinem Small Talk fällt immer wieder dieser Satz: „Darf ich dich als Ärztin mal was fragen?“ Meistens kommt diese Frage, wenn ich gerade die Gabel in den Mund schiebe. Ich bin immer gern behilflich und fühle mich auch ein bisschen geehrt durch das Vertrauen, das in dieser Frage steckt. Aber erstaunlicherweise werde ich immer nur zum selben Thema befragt: Nagelpilz.

So wurde ich am 80. Geburtstag meiner Mutter am kalten Buffet von einer älteren Dame angesprochen: „Ich habe eine interessante Frage für dich als Medizinredakteurin: Was soll ich mit meinem Nagelpilz machen?“ Auf der Hochzeit einer Nichte gönnte ich mir eine kleine Pause und saß vor dem Gasthaus. Auch hier setzte sich ein weiblicher Hochzeitsgast zu mir und fragte: „Du kennst dich doch aus. Ich habe schon alles versucht, aber ich werde meinen Nagelpilz nicht los. Was würdest du mir empfehlen?“ Diese Frage wurde mir so oder ähnlich auch auf der Beerdigung eines Onkels, bei einem Gartenfest, im Café, bei einer Weihnachtsfeier und bei zahlreichen anderen Gelegenheiten gestellt. Alle, die sich wegen Nagelpilz an mich wandten, waren Frauen.

Offenbar ist Nagelpilz ein sehr häufiges und für die betroffenen Frauen sehr belastendes gesundheitliches und kosmetisches Problem. Über 50 % der über 70-Jährigen sind von Nagelpilz betroffen. Das erklärt die Häufigkeit meiner Gespräche darüber. Die Therapie von Nagelpilz ist schwierig und oft frustran. Es gibt viele Rückschläge. Das Thema scheint außerdem sehr schambehaftet zu sein. Zumindest wurden alle oben geschilderten Gespräche in gedämpftem Ton und quasi unter vier Augen geführt. Dass Männer mich deswegen noch nie angesprochen haben, obwohl sie häufiger betroffen sind, bedeutet vermutlich nur, dass das Aussehen ihrer Füße in Sandalen für sie nicht so wichtig ist.

Was sollte ich sagen? Ich bin keine ausgewiesene Nagelpilz-Expertin und halte mich bevorzugt an die Empfehlungen in unserem Artikel Nagelpilz (Onychomykose). Ich habe versucht, mir ein Bild vom Befall ihrer Nägel und den bisherigen Therapieversuchen meiner Gesprächspartnerinnen zu machen, um das Problem einzuschätzen. Alle, die mich angesprochen haben, hatten einen ausgeprägten Befall ganzer Nägel und erfolglos Lokaltherapien ausprobiert. Eine Therapie mit Tabletten wurde einhellig abgelehnt. Ich kann das verstehen. Die für Nagelpilz geeigneten systemischen Antimykotika können zu erheblichen Nebenwirkungen und Medikamenteninteraktionen führen und sind für ältere Personen nur sehr eingeschränkt geeignet.

Das macht alles wenig Hoffnung. Müssen die Betroffenen einfach mit dem Nagelpilz leben und künftig auch im Sommer geschlossene Schuhe tragen? Um die Infektion dadurch nicht auch noch zu fördern, sollten zumindest atmungsaktive Schuhe und Baumwollsocken getragen werden. Mir ist klar, wie das zu einem Sommerkleid aussieht. Ich riet allen, die mich fragten, noch einmal mit ihren Hautärzt*innen zu sprechen, weil ich ja keine genaueren Informationen über Therapie und Verlauf hatte. Aber letztendlich können auch die Hautärzt*innen keine Wunder vollbringen.

Auch bei erfolgreicher Therapie ist die Prognose von Nagelpilz schlecht. Das Rezidivrisiko liegt bei 20–50 %. Eine dauerhafte klinische Normalisierung wird im besten Fall bei etwa 60 % der behandelten Patient*innen erreicht. Bei pAVK, Immunsuppression oder Diabetes mellitus besteht eine hohe Gefahr einer Ausbreitung der Pilzinfektion und einer bakteriellen Superinfektion.

Um für zukünftige Gespräche am kalten Buffet gerüstet zu sein, ist unsere Patienteninformation Nagelpilz sehr empfehlenswert. Ich jedenfalls werde meine zukünftigen Gesprächspartner*innen zu diesem Thema den QR-Code dieses Artikels scannen lassen.

Marlies Karsch (Chefredakteurin)

 

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