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Schlägt Mutter Natur zurück?

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Durch den Klimawandel kommt es auch zu einer Vermehrung von Zecken und einer Zunahme von durch Zecken übertragene Krankheiten. In den USA breitet sich beispielsweise das Alpha-Gal-Syndrom  verstärkt aus. Es wird durch Zeckenstiche übertragen und löst eine Fleischallergie aus. Verursacht durch den Klimawandel breitet sich also eine Allergie aus, die Menschen dazu zwingt, auf den Verzehr von rotem Fleisch und tierischen Produkten zu verzichten. Die Betroffenen müssen sich klimafreundlicher ernähren. Das klingt fast so, als hätte sich das jemand ausgedacht oder als würde sich die Natur wirklich ihrer Haut wehren.

Ich habe mir dieses Krankheitsbild einmal genauer angesehen. Es wird durch eine Sensibilisierung gegen Galactose-alpha-1,3-Galactose (Alpha-Gal) ausgelöst. Dazu kommt es durch einen Stich der sog. „Lone-Star“-Zecke (Amblyomma americanum). Diese kann das Oligosaccharid Alpha-Gal von zuvor gestochenen Rindern mit der nächsten Blutmahlzeit auf Menschen übertragen. Alpha-Gal kommt im Körper von Säugetieren, aber nicht beim Menschen vor. Es führt zu einer Sensibilisierung und zur Produktion spezifischer IgE-Antikörper.
Bei den Betroffenen kann dies zu einer Fleischallergie mit schweren allergischen Reaktionen bis hin zur Anaphylaxie 2–6 Stunden nach Verzehr von rotem Fleisch kommen. Alpha-Gal kommt laut den Centers for Disease Control and Prevention (CDC)  auch in tierischen Produkten wie Milchprodukten und Gelatine, aber nicht in Geflügel oder Fisch vor. Laut CDC könnten in den USA bereits 450.000 Personen von dem Problem betroffen sein. Laut europäischen Daten  liegt die Prävalenz von IgE gegen Alpha-Gal bei 5,5 % in Dänemark und 8,1 % in Spanien. So skurril dieses Krankheitsbild auf den ersten Blick klingt, Ärzt*innen sollten im Hinterkopf haben, dass es so etwas gibt und im Fall unerklärlicher Allergiesymptome daran denken. Die aus der Diagnose folgenden Diätrestriktionen kommen dann tatsächlich unserem Planeten zugute.

Auch die allgemein bekannten durch Zecken übertragenen Krankheitsbilder nehmen in Deutschland zu. Risikogebiete für FSME liegen mittlerweile in 11 von 16 Bundesländern (nicht in Mecklenburg-Vorpommern und den Stadtstaaten). Besonders betroffen ist weiterhin Süddeutschland. Die Anzahl der gemeldeten FSME-Fälle lag 2022 laut RKI  30 % über der Zahl von 2021. Die Impfquote allerdings beträgt sogar in Risikogebieten nur zwischen 19 % und 23 %. Da der Impfschutz auch bei Nichteinhaltung der empfohlenen Impfabstände über 90 % liegt, fordert das RKI verstärkte Aufklärung über den Nutzen der Impfung besonders in Gebieten mit hoher Krankheitslast.

Da in Deutschland keine bundesweite Meldepflicht für die Lyme-Borreliose besteht, gibt es keine genauen Daten über eine eventuelle Zunahme der Erkrankungen im Zuge des Klimawandels. Aber Krankenkassendaten  verzeichnen einen Anstieg. Wirksamer Zeckenschutz ist also in jedem Fall sinnvoll: Bei Aufenthalt in der freien Natur bedeckende Kleidung tragen, danach Absuchen von Haut und Kopfhaut sowie sofortiges Entfernen von Zecken mit Zeckenpinzette oder -karte.

Im Juni wies das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem Sachstandsbericht zu den Auswirkungen des Klimawandels  auf einen Anstieg vektorassoziierter Erkrankungen hin. Unter anderem die Asiatische Tigermücke vermehrt sich in Deutschland. Dies führt auch hierzulande zu Infektionen mit dem West-Nil-Virus. Bisher wurde noch keine Übertragung von ChikungunyaDengue- oder Zika-Virus nachgewiesen, aber laut RKI wird dies zunehmend wahrscheinlicher.

Mit vielen gesundheitlichen Folgen des Klimawandels können wir rechnen und uns darauf einstellen. Viele neue Herausforderungen und unerwartete Krankheitsbilder, wie das Alpha-Gal-Syndrom, werden dazu kommen und uns zukünftig auf Trab halten.

Marlies Karsch (Chefredakteurin)

 

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