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Die neue NVL Hypertonie – Was ändert sich?

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Die neue Version der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Hypertonie  enthält zahlreiche neue Empfehlungen, die wir in unserem Artikel Arterielle Hypertonie übernommen und ausführlich dargestellt haben. Die Neuerungen betreffen beispielsweise die Diagnosesicherung, die Vereinbarung individueller Blutdruckziele, ein engmaschiges Monitoring bei der Therapieeinstellung, die nichtmedikamentöse Therapie sowie die Wahl der medikamentösen Therapie abhängig vom Vorhandensein von Begleiterkrankungen.

Die NVL empfiehlt eine einmalige Blutdruckmessung bei Personen ab 18 Jahren. Grundsätzlich soll ein auffälliger Blutdruckwert in der Praxis durch wiederholte Messung überprüft werden. Hypertonie wird definiert als Praxisblutdruck ≥ 140/90 mmHg. Zur Bestätigung der Diagnose Hypertonie empfiehlt die NVL eine ambulante 24-h-Blutdruckmessung (ABPM). Die NVL enthält einen ausführlichen Algorithmus zur Diagnostik von Hypertonie und eine Tabelle mit genauen Anweisungen und Cut-off-Werten für unterschiedliche Messverfahren. Der Cut-off-Wert bei der ABPM liegt bei einem Tagesmittelwert ≥ 135/85 mmHg.

Bei bestätigter Diagnose Hypertonie soll laut NVL die Bestimmung der folgenden Laborwerte empfohlen werden: Elektrolyte, eGFR, Lipidstatus, Nüchternglukose/HbA1C sowie Urin-Stix. Insbesondere bei Personen mit chronischer Nierenkrankheit eGFR < 60 ml/min soll bei Erstdiagnose der Hypertonie die Bestimmung der Albumin-Kreatinin-Ratio im Urin empfohlen werden. Außerdem rät die Leitlinie mit einem geringeren Empfehlungsgrad „sollte“ zur Durchführung eines Ruhe-EKGs.

Die NVL beschreibt detailliert das Vorgehen bei V. a. sekundäre Hypertonie. Diese Empfehlungen finden Sie auch in unserem Artikel Arterielle Hypertonie. Zum Monitoring bei Hypertonie enthält die Leitlinie nun genaue Hinweise in Form eines Algorithmus. Nach Therapiebeginn oder -anpassung soll eine Kontrolle nach 4 Wochen erfolgen. Ist das Therapieziel erreicht, reicht eine jährliche Kontrolle. Bei relevanten Begleiterkrankungen, wie Herzinsuffizienz oder chronische Nierenerkrankung, sollte die Kontrolle alle 3 Monate erfolgen. Zur Blutdruckmessung im Rahmen des Monitorings sollten die Patient*innen ab 7 Tage vor dem Kontrolltermin morgens und abends jeweils 2 x zuhause ihren Blutdruck messen. In der Praxis sollen dann bei der Kontrolle bei allen Patient*innen Blutdruck und Puls gemessen werden. Laut NVL sollte die Langzeitbetreuung von Patient*innen mit Hypertonie durch Hausärzt*innen erfolgen.

Neu ist auch, dass nun individuelle Therapieziele im Rahmen einer partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Ärzt*innen und Patient*innen festgelegt werden sollen. Dabei sollen bei der Vereinbarung des Blutdruckzielwertes die Lebenserwartung, das Alter, das Vorhandensein einer Polymedikation, relevante Arzneimittel-Nebenwirkungen und -Interaktionen, die individuelle Belastung durch die Therapie, das kardiovaskuläre Risiko, funktionelle und kognitive Fähigkeiten sowie die Patientenpräferenz berücksichtigt werden. So kann bei höherem Alter oder geringem kardiovaskulärem Risiko eine Blutdruckeinstellung angestrebt werden, die auch über 140/90 mmHg liegt, maximal bis 160/90 mmHg. Umgekehrt soll bei jüngeren Patient*innen mit hohem kardiovaskulärem Risiko eine Einstellung unterhalb des Zielwertes 140/90 mmHg angestrebt werden. Dabei sollte der Blutdruck nicht zu stark gesenkt werden, minimal bis 120/70 mmHg, da sonst negative Effekte zunehmen.

Als nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen empfiehlt die NVL, weniger als 6 g Kochsalz pro Tag, Gewichtsreduktion bei Adipositas und Übergewicht, körperliche Aktivität mit moderater Intensität, Rauchstopp und Vermeidung von Passivrauchen, allenfalls risikoarmen Alkoholkonsum sowie Entspannungsverfahren. Bei Bedarf sind strukturierte Therapieprogramme zur Lebensstilmodifikation zu empfehlen.

Zur medikamentösen Therapie gibt es ebenfalls einen neuen Algorithmus. Medikamente der ersten Wahl in der Hypertoniebehandlung sind ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptorblocker, Kalziumkanalblocker sowie Thiazid-artige Diuretika/Thiazide. Nur bei bestimmten Indikationen kommen weitere Wirkstoffklassen, wie Aldosteron-Antagonisten, Alpharezeptorblocker, Betablocker, kaliumsparende Diuretika, Renin-Inhibitoren oder Schleifendiuretika infrage. Bei einer Kombinationstherapie sind Fixkombinationen zu bevorzugen.

Die neue NVL überlässt die Entscheidung über das Vorgehen nun stärker individuellen Abwägungen. Die neuen Algorithmen sowie die Empfehlung weniger Wirkstoffklassen als Therapie der ersten Wahl ermöglichen eine neue Übersichtlichkeit bei Diagnostik und Therapie. So konnten wir jetzt auch unseren Artikel Arterielle Hypertonie deutlich kürzen und noch klarer strukturieren.

Marlies Karsch (Chefredakteurin)

 

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