Ungewollte Gewichtsabnahme
Gewichtsverlust kann gewollt sein (Diät) und damit bei eher übergewichtigen Menschen Vorteile mit sich bringen. Verliert man unabsichtlich an Gewicht, kann dies Folge verschiedener Krankheiten sein und schließlich zu deutlicher Unterernährung führen.
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https://deximed.de/home/symptome/patienteninformationen/g-h/gewichtsabnahme-ungewollte/Was ist Gewichtsverlust bei Erwachsenen?
Bei Erwachsenen spricht man von einem ungewollten Gewichtsverlust bei einer Abnahme von mehr als 5 % des Körpergewichts innerhalb von 6–12 Monaten. Ist der Gewichtsverlust gewollt (Diät), stellt dies bei noch gesundem Körpergewicht kein Problem dar. Wenn man hingegen ohne Absicht deutlich an Gewicht verliert, solltedies abgeklärt werden, da möglicherweise ein Zusammenhang mit einer Erkrankung besteht.
Je nach Ausgangsgewicht wird eine ungewollte Gewichtsabnahme mehr oder weniger optisch sichtbar, oder gewohnte Kleidungsstücke werden zu groß. Möglicherweise treten Begleitsymptome auf wie Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit und Leistungsknick, Stuhlgangveränderungen, Infektneigung oder eine sog. B-Symptomatik aus Fieber und Nachtschweiß.
Etwa 15–20 % der Menschen über 65 Jahren sind von unbeabsichtigter Gewichtsabnahme betroffen. Mangel- oder Unterernährung zeigt sich bei etwa 25 % aller Patient*innen in deutschen Krankenhäusern sowie bei bis zu 50–60 % unter Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen.
Was kann die Ursache sein?
Eine ungewollte Gewichtsabnahme hat drei Hauptmechanismen:
- einen erhöhten Energieverbrauch
- eine reduzierte Nährstoffzufuhr mit oder ohne Appetitverlust
- einen veränderten Stoffwechsel (gesteigerter Energiebedarf)
Es gibt dafür eine große Spannbreite an möglichen Ursachen.
Häufige Ursachen
- Krebserkrankungen
- Bei Patient*innen mit unbeabsichtigter Gewichtsabnahme lag in 15–37 % der Fälle eine Krebserkrankung zugrunde.
- Krebserkrankungen des Magen-Darm-Trakts (Speiseröhre, Magen, Dickdarm, Bauchspeicheldrüse) können ebenso Ursachen für ungewollten Gewichtsverlust sein wie Lungenkrebs oder bösartige Bluterkrankungen. Prostatakrebs und Krebserkrankungen der Eierstöcke können ebenfalls ursächlich sein.
- Seltener sind akute lymphatische Leukämie, akute myeloische Leukämie, Nieren- und Harnleiterkrebs Ursachen für ungewollten Gewichtsverlust.
- Psychische Ursachen
- Psychische Erkrankungen sind die Ursache in etwa 10–23 % der Fälle bei signifikantem Gewichtsverlust.
- Depression ist die häufigste psychiatrische Ursache von ungewolltem Gewichtsverlust.
- Essstörungen, Zwangsstörungen, Alkohol- und Drogenabhängigkeit sowie generalisierte Angststörung sind weitere psychische Erkrankungen, die mit Gewichtsverlust einhergehen können.
- Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes
- Gastroenterologische Erkrankungen sind die Ursache in etwa 10–20 % der Fälle bei signifikantem Gewichtsverlust.
- Eine Malabsorption bezeichnet die gestörte Resorption von Nahrungsbestandteilen infolge einer gestörten Funktion der Darmschleimhaut. Dies kann oft auf Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Zöliakie, Unverträglichkeiten (z. B. Laktoseintoleranz), Tumoren oder Infektionen zurückgehen.
- Eine Maldigestion bezeichnet die gestörte Spaltung von Nahrungsbestandteilen im Verdauungstrakt, die oft im Zusammenhang mit Gallensäuremangel, einer Erkrankung der Bauchspeicheldrüse oder einer Magenoperation auftritt.
- Eine Dysphagie bezeichnet Störungen der Funktion und Koordination des Schluckaktes, die zu einer unzureichenden Nahrungszufuhr führen können, z. B. durch Fehlbildungen, Engstellen oder andere Erkrankungen der Speiseröhre.
- Stoffwechselerkrankungen
- Stoffwechsel- oder Hormonstörungen wie Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2, eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) oder Erkrankungen der Nebennierenrinde (z. B. Addison-Krankheit) können ebenfalls zu Gewichtsverlust führen.
- Gewichtsverlust bei älteren Menschen
- Ungewollter Gewichtsverlust betrifft etwa 15–20 % aller geriatrischen Patient*innen.
- Eine Ursache ist eine mangelnde Nahrungsaufnahme. Mögliche Gründe dafür sind u. a. Probleme beim Essen durch Zahnverlust, Schmerzen beim Kauen (schlecht sitzendes Gebiss, Zahnfleischverletzungen) und Schluckstörungen sowie soziale Isolation und Demenz.
- Ein signifikanter Gewichtsverlust ist kein natürlicher Teil des Alterungsprozesses und erhöht das Risiko für Gebrechlichkeit und Todesfälle. Gebrechlichkeit (Frailty) beschreibt einen Zustand von Muskelschwäche, körperlicher Inaktivität und körperlicher und/oder geistiger Erschöpfung, der zu unverhältnismäßig gravierenden Auswirkungen nach relativ geringfügigen Erkrankungen oder medizinischen Eingriffen führt.
- Neurologische Erkrankungen
- Neurologische Erkrankungen können z. B. durch einen Schlaganfall oder neurodegenerative Erkrankungen, bei denen es zum Verlust von Nervenzellen kommt, zu Schluckstörungen führen.
- Demenzerkrankungen und Muskelerkrankungen (z. B. Muskeldystrophie) können zu Mangelernährung und Gewichtsverlust führen.
- Infektionskrankheiten
- Infektionen, z. B. Bandwurminfektion, HIV-Infektion oder Tuberkulose, können mit Gewichtsverlust einhergehen.
Seltenere Ursachen
- Herzinsuffizienz (Herzschwäche), chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD), chronische Nierenkrankheit oder rheumatoide Arthritis (Rheuma) können zu Gewichtsabnahme führen.
- Auch die Einnahme bestimmter Medikamente, die z. B. zu Geschmacksstörungen, Appetitlosigkeit oder Mundtrockenheit führen, oder auch Alkohol und Rauchen bzw. der Missbrauch anderer Substanzen können zu einem ungewollten Gewichtsverlust beitragen.
Untersuchungen
- Zuerst wird ermittelt, wie hoch der Gewichtsverlust über einen bestimmten Zeitraum ist. Dazu können auch ältere Fotoaufnahmen oder ein Wechsel der Kleidergröße als indirekte Hinweise dienen. Wichtig ist ein regelmäßiges Wiegen und Protokollieren des Gewichtsverlaufes durch die Patient*innen.
- Im ärztlichen Gespräch werden Sie gefragt, was und wie viel Sie essen oder ob Sie an Appetitlosigkeit, Schmerzen beim Kauen oder Schluckstörungen leiden.
- Es werden allgemeine Symptome wie Abgeschlagenheit, Erschöpfung, Fieber oder Nachtschweiß abgefragt.
- Weitere wichtige Symptome sind Übelkeit/Erbrechen, Magenbeschwerden, Veränderungen beim Stuhlgang, Blut im Stuhl, vermehrtes Durstgefühl, ein Ausbleiben der Regelblutung oder psychische Probleme.
- Eingenommene Medikamente oder Überdosierungen, aber auch bestehende Erkrankungen oder frühere Operationen können Hinweise auf die Ursache für den Gewichtsverlust sein.
- Sie können zudem gefragt werden, ob Sie Alkohol trinken, rauchen oder Drogen nehmen.
- Bei der körperlichen Untersuchung werden Herz und Lungen abgehört, die Bauchorgane abgetastet, auf vergrößerte Lymphknoten geachtet, die Mundhöhle untersucht, der Zahnstatus geprüft und ggf. ein Test auf das Vorliegen von Demenzerkrankungen durchgeführt.
- Zur Basisuntersuchung gehören außerdem eine Blutentnahme, bei der sich Organfunktionen, Stoffwechselparameter, Blutzucker, Hormone etc. bestimmen lassen, eine Röntgenaufnahme der Lunge, ein Test auf verstecktes Blut im Stuhl, eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums sowie eine Untersuchung des Urins.
- Sind Untersuchungen notwendig, die nicht in der Hausarztpraxis durchgeführt werden können (z. B. Computertomografie, Koloskopie), werden Sie an Spezialist*innen oder ein Krankenhaus überwiesen.
- Ergeben sich Hinweise auf eine bestimmte zugrunde liegende Krankheit, sind meist weitere zielgerichtete Untersuchungen dafür nötig.
Behandlung
- Bei unklarem Gewichtsverlust und unauffälligen Befunden in der Basisdiagnostik wird eine Beobachtung über einen Zeitraum von 3–6 Monaten empfohlen.
- Im Falle starker Mangelernährung kann eine Krankenhauseinweisung erwogen werden.
- Die Behandlungsmaßnahmen richten sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung. Ergibt sich aus den Untersuchungen eine bestimmte Krankheit (etwa eine Essstörung, eine Krebserkrankung, Herzschwäche oder anderes), wird diese entsprechend behandelt.
- Gewichtsverlust bzw. Untergewicht/Unterernährung gehen gehäuft mit weiteren Erkrankungen, häufigeren Klinikaufenthalten, geringerer Lebensqualität und erhöhter Sterblichkeit einher und sollten daher behandelt werden.
Maßnahmen und Empfehlungen
- Allgemeine Maßnahmen bei (drohender) Mangelernährung sind:
- sorgfältige, individuelle Ernährungsberatung (Nahrungsmittel, Zubereitung, Essgewohnheiten etc.)
- häufigere und kleinere Mahlzeiten
- körperliche Aktivität zur Appetitsteigerung
- ggf. Nahrungsergänzungsmitteln, hochkalorischer Zusatznahrung oder Vitaminsubstitution
- notfalls auch (vorübergehende) künstliche Ernährung
- Die Wirkung von appetitanregenden Medikamenten ist nicht ausreichend belegt. Sie können zu einer Gewichtszunahme führen, senken jedoch nicht die Sterblichkeit.
Prognose
- Die Prognose ist abhängig von der vorliegenden Grunderkrankung.
- Eine frühzeitige Erfassung und Behandlung einer beginnenden Mangelernährung haben einen positiven Einfluss auf den individuellen Verlauf und damit die Prognose der Betroffenen.
Weitere Informationen
- Ungewollte Gewichtsabnahme – Informationen für ärztliches Personal
Autor
- Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien
Literatur
Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Gewichtsabnahme, ungewollte. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.
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